Neue Daten belegen Brücken-Bewegungen: Wäre Einsturz vermeidbar gewesen?
Dresden - Die Aufarbeitung des Brücken-Unglücks läuft. Dabei muss auch geklärt werden, ob die vom Rathaus bisher angewandten Prüfverfahren überhaupt geeignet waren, den schlimmen Zustand der Carolabrücke zu erkennen. Neue Daten zeigen jetzt: Brückenzug C hatte sich vor dem Zusammensturz bereits seit knapp zwei Jahren bewegt - in unterschiedliche Richtungen.
Gab es im Vorfeld Zeichen für die nahende Katastrophe? Zumindest hätte es - mit dem richtigen Werkzeug - signifikante Hinweise auf ernste Probleme geben können.
Zu diesem Schluss kommt das in Großbritannien ansässige und 2022 gegründete Unternehmen "value.space", welches Risikobewertungen für Versicherungen und Co. erstellt.
Die Firma greift dabei auf die Auswertung von verschiedenen Satelliten-Aufnahmen (etwa NASA, ESA) zurück, erfasst auch Niederschlag und Temperaturen. Für die Carolabrücke wurde der Zeitraum ab September 2021 rückwirkend analysiert, Dutzende Messpunkte wurden alle zwölf Tage kontinuierlich ausgewertet.
Zwar sind Bewegungen von Bauwerken wie Brücken laut TU-Dresden-Professor Steffen Marx (55) "ganz normal", bedingt etwa durch Temperaturen und Verkehrsbeanspruchung.
Und auch Straßenbauamtsleiterin Simone Prüfer (59) bestätigt, dass sich die Carolabrücke in den vergangenen Jahren im Zentimeterbereich bewegt habe. "Allerdings im Toleranzbereich", so Prüfer.
Seit 2022 bewegte sich die Brücke in verschiedene Richtungen
Aber: "Unsere Daten zeigen, dass sich der westliche Brückenzug in einem atypischen saisonalen Muster bewegte. Seit Oktober 2022 bewegten sich der nördliche und südliche Teil in verschiedene Richtungen", sagt "value.space"-Mitgründer und Technikchef Agu Leinfeld (46).
Heißt: Der nun eingestürzte Brückenteil rutschte um bis zu 2,35 Zentimeter pro Jahr ab.
Vorm Kollaps hing der Bogen etwa vier Zentimeter tiefer als knapp zwei Jahre zuvor. Gleichzeitig hob sich in diesem Zeitraum ein Brückenabschnitt im Norden (Neustädter Seite) um bis zu 1,5 Zentimeter pro Jahr an. Ein längerfristiger Aufbau von Spannungen könne laut Unternehmen zu einem Zusammenbruch führen. In diesem Fall hätte mehr als ein Zeichen darauf hingedeutet.
Der Massivbau-Institutsdirektor der TU Dresden, Manfred Curbach (57), warnt vor vorschnellen oder falschen Schlüssen. "Grundsätzlich sind Verformungen beim Spannbeton normal, solange sie nicht zu groß sind und in kurzer Zeit auftreten", sagt der Experte.
"Mir liegen die entsprechenden Daten nicht vor. Es müssten etwa auch die genauen Temperaturen an der Ober- und Unterseite der Brücke berücksichtigt werden. Es müssen sehr viele Faktoren berücksichtigt werden, um seriöse Aussagen treffen zu können."
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