Kommentar zum Carolabrücken-Desaster: "Keine Floskeln"
Dresden - Die Forderung nach lücken- und schonungsloser Aufklärung des Brückenunglücks ist berechtigt. Nur so lässt sich eine Antwort finden, warum ausgerechnet im Land der Ingenieure die wichtigste Brücke der Stadt im wahrsten Sinne "über Nacht" einstürzen konnte.
Schnell waren in den ersten Tagen nach dem Unglück Abwehr-Kommentare der Stadtverwaltung zu vernehmen.
Ein Auszug: Dass der Zustand so schlimm gewesen ist, dass die Brücke einstürzt, sei nicht vorhersehbar gewesen. Man habe die Brücke regelmäßig nach Vorschrift geprüft. Und so habe man ja erkannt, dass sie sanierungsbedürftig ist - und habe entsprechende Planungen eingeleitet. Man habe ja bereits 2019 mit der Sanierung begonnen ...
Fast ergibt sich so der Eindruck, alles sei ordnungsgemäß nach Plan verlaufen. Aber selbst wenn sich herausstellt, dass die Prüfverfahren die Unglücksursache nicht erkennen konnten und ordnungsgemäß geprüft wurde, so stellt sich dennoch die Frage, wieso die Sanierung nicht zügig umgesetzt wurde.
Denn: Auch wenn es nur eine Richtlinie ist, die eine "umgehende Sanierung" oder "Instandsetzung in näherer Zukunft" vorsieht, müssen sich die Verantwortlichen fragen lassen, wieso sie diese Zeitspanne so großzügig ausgelegt haben - insbesondere, wenn die Verwaltung selbst schon seit mindestens 2013 über massive Schäden am Bauwerk aufgeklärt hatte.
Der Brückeneinsturz wurde weltweit wahrgenommen. Nun lässt die Aufmerksamkeit nach. Umso wichtiger, dass sich der Stadtrat nicht mit Floskeln und ausweichenden Antworten abspeisen lässt.
Titelfoto: Robert Michael/dpa