Ende des Streits? Bahn-Schlichter legen Kompromissvorschlag vor
Berlin - Im Schlichtungsverfahren über neue Tarife bei der Deutschen Bahn haben die Vermittler einen Kompromissvorschlag präsentiert.
Er sieht unter anderem eine stufenweise Einkommenserhöhung um insgesamt 410 Euro pro Monat sowie eine Laufzeit von 25 Monaten vor, wie die beiden Schlichter - die Arbeitsrechtlerin Heide Pfarr (SPD) und der frühere Verteidigungs- und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) - am Mittwoch in Potsdam mitteilten.
Sollten die Bahn und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) dem Vorschlag zustimmen, könnten Fahrgäste aufatmen, Streiks gäbe es dann nicht.
Der Vorschlag im Detail
Konkret haben die beiden Schlichter eine stufenweise Erhöhung der Entgelte um 410 Euro vorgeschlagen. Die erste Stufe in Höhe von 200 Euro soll noch im Dezember dieses Jahres kommen, die zweite im August 2024.
"Die Entgelterhöhung bedeutet für die allergrößte Zahl unserer Mitgliedschaft ein dauerhaftes Lohnplus im zweistelligen Bereich. Das ist eine Erhöhung, die es in dieser Größenordnung in Deutschland seit Jahrzehnten nicht gab", erklärte EVG-Vorstand Kristian Loroch (46).
Neben der steigenden Entgelte soll es im Oktober eine Einmalzahlung in Höhe von 2850 Euro geben. Als Laufzeit schlagen Pfarr und de Maizière 25 Monate vor. Hinzu kommen strukturelle Entgelterhöhungen für bestimmte Berufsgruppen. Laut EVG könnten damit rund 70.000 Beschäftigte pro Monat noch einmal 100 Euro zusätzlich erhalten.
Wie es nun weiter geht
Über den Vorschlag müssen nun beide Seiten in ihren Gremien entscheiden. Bei der Bahn gilt die Zustimmung als Formsache. Bei der EVG ist es komplizierter. Zunächst ist für kommenden Freitag ein Treffen des Bundesvorstands geplant.
Er soll noch am selben Tag eine Empfehlung abgeben, ob die EVG den Schlichterspruch akzeptiert oder nicht. Dann geht es in die Urabstimmung. Rund 180.000 Bahn-Beschäftigte sind dabei aufgerufen, über den Kompromissvorschlag abzustimmen.
Um das Votum des Bundesvorstands zu überstimmen, brauchen die Mitglieder eine Dreiviertelmehrheit. Andersherum bedeutet das: Folgen mehr als ein Viertel der Teilnehmer der Empfehlung des Vorstands, gilt dieser. Das Ergebnis der Urabstimmung wird am 28. August erwartet.
Gibt es dennoch weitere Streiks?
Was das für die Fahrgäste bedeutet
Für die Fahrgäste ändert sich erst einmal nichts. Die EVG hat Warnstreiks für die Dauer der Urabstimmung, also bis Ende August, zunächst ausgeschlossen. Der Beschluss des Bundesvorstands voraussichtlich an diesem Freitag dürfte die weitere Richtung vorgeben.
Stimmen er und die Mitglieder zu, gibt es eine Tariflösung und die Kundinnen und Kunden müssen auch über den August hinaus keine Ausstände mehr befürchten. Stimmt die EVG gegen den Vorschlag, sind ab Ende August unbefristete Streiks möglich.
Gewinner und Verlierer
Der Kompromiss verlangt beiden Seiten einiges ab: Statt einer prozentualen Erhöhung muss die Bahn nun um Festbeträge aufstocken. Diese liegen in der Höhe deutlich unter der ursprünglichen Forderung der EVG.
Die Gewerkschaft hatte mindestens 650 Euro mehr pro Monat oder zwölf Prozent bei den oberen Einkommensgruppen gefordert sowie eine Laufzeit von zwölf Monaten. Die Bahn wiederum hatte zuletzt acht Prozent mehr für die oberen, zehn Prozent für die mittleren und zwölf Prozent für die unteren Entgeltgruppen angeboten.
Als Laufzeit wollte der Konzern 27 Monate durchsetzen.
Titelfoto: Joerg Carstensen/dpa