Diskriminierung bei Deutscher Bahn? Behinderter Rolf aus Zug geworfen

Leipzig/Erlangen - Verspätungen, hohe Preise, Unfreundlichkeit... Die meisten Menschen in Deutschland können ein Lied singen von mehr oder weniger zufriedenstellenden Erfahrungen mit der Deutschen Bahn. Eigentlich könnte man erwarten, dass auf Menschen mit körperlichen Einschränkungen besondere Rücksicht genommen wird, doch Rolf Allerdissen (54) aus Leipzig musste da eine herbe Enttäuschung einstecken.

Trotz Maskenpflicht in den Zügen der Deutschen Bahn sind Befreiungen von dieser möglich. Die Bedingungen hierfür sind teilweise undurchsichtig. (Symbolbild)
Trotz Maskenpflicht in den Zügen der Deutschen Bahn sind Befreiungen von dieser möglich. Die Bedingungen hierfür sind teilweise undurchsichtig. (Symbolbild)  © Sebastian Gollnow/dpa

Für die Menschen in Deutschland ist das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) seit diesem Jahr nahezu selbstverständlich geworden. So auch für Rolf Allerdissen, Vorsitzender des Vereins UNgehindert e. V., der den Alltag mit so mancher körperlicher Einschränkung meistert.

Dazu gehört unter anderem auch eine Lungen-Funktions-Einschränkung, wodurch er automatisch zur Risikogruppe während der Corona-Pandemie zählt.

Dass man als Mensch mit Behinderung auch mal an seine Grenzen stoßen kann, weiß der 54-Jährige aus Erfahrung, musste es im Rahmen des Inklusionsprojektes "Reisegruppe Niemand" aber auf unangenehme Art und Weise erneut erfahren.

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Als Teilnehmer dieser Kampagne bereiste der in Leipzig lebende, gebürtige Nordrhein-Westfale im September fast zwei Wochen lang ganz Deutschland mit verschiedenen Zügen, um Fahrzeuge und Bahnhöfe auf ihre vorhandene oder nicht vorhandene Barrierefreiheit zu testen.

Doch nicht nur die teilweise fehlende Barrierefreiheit sowie die daraus resultierenden Engpässe in der Reiseplanung sollten zum Problem dieser Reise werden, sondern offenbar auch diverse Diskriminierungen durch Mitarbeiter der Deutschen Bahn.

Schwerbehindertenausweis oder ärztliches Attest – Was gilt hier?

Rolf Allerdissen (54) fühlt sich als Mensch mit Behinderung von Mitarbeitern der Deutschen Bahn diskriminiert.
Rolf Allerdissen (54) fühlt sich als Mensch mit Behinderung von Mitarbeitern der Deutschen Bahn diskriminiert.  © Juliane Bonkowski

Diese sollten ihren Höhepunkt in einem ICE von München nach Leipzig an einem Dienstagabend finden.

Aufgrund von Atemproblemen, Schwindel und Kopfschmerz nach einem anstrengenden Reisetag habe sich Rolf Allerdissen während der Fahrt im fast leeren Großraumabteil entschieden, seinen Mund-Nasen-Schutz abzunehmen, um etwas durchatmen zu können. 

Ein fataler Fehler! Während der erste Zugbegleiter seinen Schwerbehindertenausweis als Befreiung von der Maskenpflicht akzeptiert habe, seien Kollegen später nur wenig nachsichtig und sehr ungehalten ihm gegenüber aufgetreten.

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Ohne nachzufragen, weshalb er keine MNB trage, sei er von zwei Zugbegleitern auf respektlose und aggressive Art und Weise aufgefordert worden: "Setzen Sie 'ne Maske auf!" Ansonsten werde man die Angelegenheit anders regeln. Heißt im Klartext, dass die Bundespolizei alarmiert wurde.

Weder die Vorlage des Schwerbehindertenausweises noch der Hinweis auf die Bayerische Verordnung zum Infektionsschutz habe die Mitarbeiter der DB interessiert. Diese besagt, dass ein solcher Ausweis ODER ein ärztliches Attest zur Glaubhaftmachung vorgelegt werden müsse. 

Das Zugpersonal bestand auf einem Attest.

Eigenen Angaben zufolge habe Rolf Allerdissen seine MNB trotz Unwohlsein wieder aufgesetzt. Das Gespräch mit den Beamten der Bundespolizei habe dann auf dem Bahnsteig in Erlangen stattgefunden. Es wurde keine Ordnungswidrigkeit ausgesprochen, doch der ICE war längst weg, und er stand abends nach 21 Uhr allein am Bahnsteig in Erlangen.

Eine Anzeige wegen Nötigung hat er bisher noch nicht gestellt, wollte jedoch einen Anwalt einschalten.

Keine offensichtliche Behinderung heißt nicht automatisch, dass man gesund ist

Seit einigen Wochen werden in Zügen verstärkte Kontrollen zur Einhaltung der Maskenpflicht durchgeführt. (Symbolbild)
Seit einigen Wochen werden in Zügen verstärkte Kontrollen zur Einhaltung der Maskenpflicht durchgeführt. (Symbolbild)  © Axel Heimken/dpa

Rolf Allerdissen zeigte sich auf Nachfrage von TAG24 geschockt vom Verhalten der DB-Mitarbeiter. Bereits im Vorfeld dieses Tages sei es zu unangenehmen Situationen gekommen. So habe er beispielsweise mehrfach um Hilfe beim Einsteigen in einen Zug gebeten, was mitunter abgelehnt worden sei. 

Doch im betreffenden ICE sei ihm eine solche Ablehnung entgegengeschlagen, wie er sie selten erlebt habe.

So habe er mit anhören müssen wie die Mitarbeiter miteinander abfällig über ihn sprachen: "Naja Maskenverweigerer, die kriegen hier nichts zu trinken" oder "Ja, aber eben ging's dem noch gar nicht so schlecht, der spielt nur."

Eine Lautsprecherdurchsage im Zug habe dem Ganzen die Krone aufgesetzt. Laut dem Geschädigten hieß es darin: "Sehr geehrte Damen und Herren, wir werden einen unplanmäßigen Aufenthalt im Bahnhof Erlangen haben, weil wir einen Maskenverweigerer an Bord haben, der von der Bundespolizei entfernt wird."

"Wenn sich mehrere Menschen zusammen empören, sitzt man da als Mensch mit einer Lungenfunktionseinschränkung manchmal ganz schön blöd da, wenn man ohne Maske ist", resümiert Rolf Allerdissen die allgemeine Vorverurteilung von Menschen, die keine Maske tragen.

Man sieht ihm seine Einschränkungen nicht auf den ersten Blick an, was aber nicht bedeutet, dass es sie nicht gibt. "Es kann doch nicht sein, dass ich mir ein Schild mit einem Hinweis auf eine Behinderung umhängen muss, um nicht vorverurteilt zu werden", so der Wahl-Leipziger.

Er bestehe sonst nie auf eine Maskenbefreiung, eher im Gegenteil, er versuche, den Menschen klarzumachen, wie wichtig es ist, sich selbst und andere zu schützen. 

Auch in diesem Fall ging es ihm nicht hauptsächlich um das Tragen der Maske, sondern vielmehr um das Verhalten ihm gegenüber.

Unverständnis, Vorwürfe, wenig Entgegenkommen

Im Nachhinein gab es eine Zusammenkunft per Telefonkonferenz mit leitenden Mitarbeitern der DB, die für ihn aber wenig zufriedenstellend gewesen sei.

Dabei habe er versucht, das Fehlverhalten von DB-Mitarbeitern gegenüber Menschen mit Behinderung während seiner Reise zu erläutern. Doch man sei kaum darauf eingegangen, sondern habe ihm selbiges vorgeworfen.

Sicher haben alle Beteiligten die Situation unterschiedlich wahrgenommen. Dennoch sehe er keine Grundlage für die Durchsetzung des Hausrechts, wie in seinem Fall durch einen Fahrtausschluss, da die Beförderungsbedingungen der DB keinen Punkt zur Maskenbefreiung enthalten.

Auf Nachfrage bei der Deutschen Bahn erklärte eine Sprecherin des Unternehmens, dass Fahrgäste aus medizinischen Gründen durchaus auf eine Maske verzichten könnten. Das Zugpersonal sei jedoch berechtigt, um die Vorlage eines ärztlichen Attests zu bitten. Gleichzeitig entschuldigte sie sich für die unangemessene Lautsprecherdurchsage, durch die sich der Fahrgast genötigt fühlte.

Für die Zukunft wünsche er sich, dass Mitarbeiter mehr auf den Umgang mit solchen Situationen sensibilisiert würden. Auch wenn die Mitarbeiter wegen vieler wirklicher Maskenverweigerer unter Druck stehen, könnten sie auch einfach nach dem Grund einer fehlenden Maske fragen, anstatt sofort "loszupöbeln".

Titelfoto: Juliane Bonkowski

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