Deutsche Bahn bekommt eine Hunde-Staffel! Vierbeiner sollen beim Artenschutz helfen
Frankfurt/Main - Ehe die Bagger anrollen, muss bei vielen Bauprojekten der Bahn festgestellt werden, ob geschützte Tierarten von Ausbauarbeiten betroffen sind. Die Artenschutz-Kartierung ist zeitaufwendig. Nun soll mit Helfern auf vier Beinen alles schneller werden.
Eifrig mit dem Schwanz wedelnd bohrt Finya ihre Schnauze in ein Loch der Scentbox, einem speziellen Trainingsgerät für Spürhunde. Die langen seidigen Ohren der Spaniel-Hündin flattern, als sie sich auf das unmittelbar nach ihrem Fund als Belohnung folgende Leckerli stürzt.
Dass wenige Meter entfernt S-Bahnen und Regionalzüge vorbeidonnern, kann ihre Konzentration nicht stören - ganz wie es bei einem Spürhund sein soll. Seit April ist Finya in der Ausbildung - im kommenden Jahr soll sie als Artenschutzhündin der Deutschen Bahn in einem Pilotprojekt in Bayern eingesetzt werden.
"Der Hund wird nicht nur Freund und Helfer, er wird Artenschutzexperte", sagt Jens Bergmann, Vorstand Infrastrukturplanung und -projekte der DB Netz AG, am Dienstag in Frankfurt, als die Hundestaffel der DB erstmals vorgestellt wird.
Sechs Tiere werden derzeit ausgebildet, um beispielsweise Schlingnattern, Gelbbauchunken und Fledermäuse zu erschnüffeln.
"Sie riechen, was der Mensch nicht sieht", erläutert Bergmann die Aufgaben der Hunde verschiedener Rassen. Vor allem beim Zeitfaktor von Bauvorhaben macht der feine Geruchssinn der Hunde den großen Unterschied.
Spürhunde könnten den Kartierungs-Prozess deutlich verkürzen
Denn der Ausbau des Schienennetzes für eine Verkehrswende bedeutet immer wieder auch einen Eingriff in die Natur - und möglicherweise in das Lebensgebiet geschützter Arten, die vor Baubeginn umgesiedelt werden müssen.
Bisher mussten sogenannte Kartierer die Flächen mehrfach abgehen und nach geschützten Arten absuchen - und das zu verschiedenen Jahreszeiten, um auch Tiere zu erfassen, die etwa einen Winterschlaf halten.
In der Regel dauert diese Artenschutzkartierung nach Bahnangaben ein Jahr, manchmal auch länger. Mit den Hunden, die zu jeder Jahreszeit und bei fast allen Wetterbedingungen eingesetzt werden können, sollte sich die Durchsuchung eines Gebiets auf maximal zwei Monate verkürzen.
Die Idee für eine Hundestaffel hatte Michael Schmitt, der bei der DB in München Umweltprojekte verantwortet. Er suchte den Kontakt zu Polizei, Zoll und Bundeswehr, um mehr über die Erfahrungen mit Spürhunden zu erfahren.
Und auch wenn es etwa beim Zoll Artenschutzspürhunde gibt, um die illegale Einfuhr geschützter Arten zu verhindern: "Am nächsten vergleichbar ist die Arbeit mit den Minenspürhunden der Bundeswehr", so Schmitt. Diese müssten nämlich ähnlich wie die Spürnasen der Bahn in der Lage sein, Gerüche punktuell aufzunehmen. Und die Geruchsfläche einer Eidechse oder Natter sei nun einmal deutlich kleiner als etwa die einer Leiche.
Hunde und Besitzer werden gleichzeitig ausgebildet
Bei der Arbeit im Projektgebiet werden die Hundeführerinnen und -führer, die teils ein Biologiestudium hinter sich haben, teils aus Landschaftsschutz und Forstwirtschaft kommen, auch zu Kollegen ihrer Vierbeine.
Sie werden derzeit parallel als Kartierer ausgebildet, sodass bei der Begehung eines geplanten Baugebiets menschliche Expertise und tierischer Geruchssinn zusammenkommen.
Anders als bei den Hundestaffeln etwa der Polizei oder des Zolls sind die Diensthunde und ihre Betreuer dezentral verteilt - das soll helfen, lange Anfahrten zu vermeiden. Erste Ergebnisse zu dem Einsatz der Hunde nach ihrer Ausbildung dürften im kommenden Herbst vorliegen.
Die Biologin Kathleen Spittel-Schnell und ihr Mann Robert Schnell etwa leben in Thüringen und haben mit dem siebenjährigen Labrador Retriever Eskill, der zweijährigen Labrador-Retriever-Hündin Fenna und er dreijährigen Golden Retriever-Hündin Whisper gleich drei Hunde in der Ausbildung.
Whisper hat unter den sechs Hunden der Staffel derzeit bei der Artenmenge die Nase vorn: Während ihre Hundekollegen mindestens drei geschützte Arten erkennen, kann sie fünf Arten aufspüren.
Hunde könnten bis zu 15 Arten unterscheiden
"Der Hund sollte sehr gut trainierbar sein", sagt Spittel-Schnell zu den Anforderungen an die vierbeinigen Kollegen. "Er sollte Kooperationsbereitschaft zum Menschen zeigen, er sollte sich gut belohnen lassen."
Dabei gebe es durchaus Unterschiede. "Der eine spielt gerne, der andere frisst lieber." Grundsätzlich müsse der Hund aber mit dem Menschen arbeiten wollen.
Die Hunde lernen mit Kot, Häutungen, Fell oder Sekreten das Erkennen der geschützten Arten, die sie ihren zweibeinigen Kollegen anzeigen sollen. Im Prinzip ist mit den fünf Tierarten, die Whisper bereits beherrscht, noch Luft nach oben. "Man geht davon aus, dass sie bis zu 15 Gerüche unterscheiden können", sagt Schmitt über die Fähigkeiten von Spürhunden.
Je mehr die Tiere Generalisten seien, desto häufiger seien aber auch Ungenauigkeiten möglich. Nicht nur deshalb sei bei der Ausbildung die Planung wichtig, was die Hunde alles lernen können.
"Denn man kann ihnen zwar das Aufspüren eines bestimmten Geruchs antrainieren - aber nicht mehr abtrainieren."
Titelfoto: Sebastian Gollnow/dpa