Promis zur Europawahl: "Es ist unsere verdammte Pflicht"
Hamburg - "Wieder sagten Leute zu mir: 'Es wird niemand kommen' und wieder haben sie Unrecht gehabt", rief Moderator Michel Abdollahi (43) direkt zu Beginn der Kundgebung in die jubelnde Menge. Laut Veranstalter haben am Freitag 30.000 Menschen in der Hamburger Innenstadt gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie demonstriert. Die Polizei sprach zunächst von 10.000 Teilnehmenden.
Zwei Tage vor der Europawahl und der Kommunalwahl in Hamburg wollte das "Bündnis der Bündnisse" unter dem Motto "Rechtsextremismus stoppen, Demokratie verteidigen, wählen gehen" vor allem junge Menschen zum Wählen bewegen.
"Wir haben noch 48 Stunden Zeit, die Leute zu überzeugen", betonte Mit-Organisator und "Campact"-Gründer Christoph Bautz (52) während seiner Rede den Ernst der Lage.
Davon zu überzeugen, demokratisch zu wählen und seine Stimme nicht an eine (in Teilen) rechtsextreme Partei wie die AfD zu verschenken – und damit die Demokratie zu gefährden.
"Durch unsere Stimmen wird es uns gelingen, ein starkes Zeichen für ein Europa zu setzen, in dem Frieden, Freiheit und Menschenrechte an erster Stelle stehen", zeigte sich Özlem Nas, stellvertretende Schura-Vorsitzende, am Freitag zuversichtlich.
Ebenfalls als starkes Zeichen des Zusammenhalts über die Religionen hinaus stand Nas gemeinsam mit Bischöfin Kirsten Fehrs und Landesrabbiner Shlomo Bistritzky auf der Bühne. "Ich bin zutiefst dankbar, dass wir drei hier heute gemeinsam stehen: eine Muslima, eine Christin, ein Jude", betonte Fehrs.
Und Bistritzky forderte: "Nie wieder Hass, nie wieder Antisemitismus, nie wieder Fremdenfeindlichkeit!"
Für die Demokratie: HSV und FC St. Pauli machen gemeinsame Sachen
Für die Demokratie pausierten sogar der HSV und der FC St. Pauli ihre Rivalität und traten gemeinsam auf die Bühne.
"Und dann muss die Botschaft schon verdammt wichtig sein", betonte Marieke Patyna, Prokuristin der HSV Fußball AG. Mit dem Satz "In den Farben getrennt, in der Sache vereint!" spielte sie den Ball dann zu St.-Pauli-Präsident Oke Göttlich (48), der die Verantwortung auch bei den Clubs selber sieht.
"Um die Demokratie zu schützen ist auch der Sport gefragt, wir sind hier, weil wegducken nicht gilt. Es ist unsere verdammte Pflicht für ein friedliches Miteinander und für Menschlichkeit einzustehen."
Eine kleine Spitze gegen den HSV konnte sich der Pauli-Präsident dann aber doch nicht verkneifen: "Und das ist auch die Botschaft, die der FC St. Pauli in die Bundesliga tragen wird."
Provinz-Sänger: "Es fällt manchmal schwer, aber wir dürfen nicht wegschauen!"
Als Verteidiger der Kunstfreiheit nutzten am Freitag gleich mehrere Musiker die Bühne.
"Ich hoffe, dass wir nicht nur mehr sind, sondern auch immer mehr bleiben", so Sänger Joris (34), bevor er – sehr zur Freude der Demonstranten –seinen Hit "Herz über Kopf" anstimmte.
Anschließend spielte er dann noch eine echte Premiere: seinen neuen Song "Spring".
Auch die Band "Provinz" positionierte sich mit ihrem Auftritt klar gegen Rechts und spielte mit Liedern wie "Hymne gegen euch" und "Krieg" den passenden Soundtrack zur Demo.
Letzteres ist sogar anlässlich der aktuellen politischen Situation in Deutschland entstanden: "Es fällt manchmal schwer, aber wir dürfen nicht wegschauen!", so Sänger Vincent Waizenegger.
Klimaforscher Mojib Latif: "Was wir brauchen ist Zusammenarbeit zwischen den Völkern!"
Die AfD bedroht aber nicht nur die Kunst- und Meinungsfreiheit, sondern sei laut "Fridays for Future" auch ein "Brandbeschleuniger für die Klimakrise".
"Was wir brauchen ist Zusammenarbeit zwischen den Völkern, zwischen den Ländern, sonst werden wir die große Herausforderung, vor der wir stehen, nicht meistern können", sagte Klimaforscher Mojib Latif (69) am Freitag.
"Wir können es nicht zulassen, dass Leute an die Macht kommen, die Fakten leugnen und dass der Klimawandel nicht menschengemacht ist."
Der Wissenschaftler kämpfe dafür, dass die Erde in doppelter Hinsicht weiterhin blau bleibe und nicht braun wird.
Bei der Abschlusskundgebung gegen 19.30 Uhr wurde Michel Abdollahi dann noch einmal ganz deutlich: "Ich komme aus einem Land, da würden sich die Menschen ihre Arme und Beine dafür ausreißen, wenn sie eine Stimme hätten, um wählen zu gehen und wir überlegen uns, ob wir am Sonntag nicht lieber grillen als zur Wahl zu gehen!"
Der gebürtige Iraner rief alle dazu auf, am 9. Juni von ihrem demokratischen Recht Gebrauch zu machen. Wählen sei eine Sache von zehn Minuten, das kriege jeder hin!
Erstmeldung am 7. Juni um 21 Uhr.
Titelfoto: Tag24/Madita Eggers