Schwere Vorwürfe gegen Sachsens Innenminister: Trifft Schuster falsche Aussagen über Tag X?
Leipzig - Die Diskussionen um den "Tag X" und den daraus resultierenden stundenlangen Polizeikessel in Leipzig reißen nicht ab. Angesichts neuer Aussagen des sächsischen Innenministers Armin Schuster (62, CDU) äußerten sich nun die Versammlungsleiter der untersagten Demo, die alles ins Rollen brachte.
Anlass für den offenen Brief, der am Mittwoch veröffentlicht wurde, war eine Sendung der Talkshow "Fakt ist!", bei der Schuster zu Gast gewesen war und sich unter anderem zu dem umstrittenen Polizeikessel geäußert hatte.
So hatte der CDU-Politiker das Verbot des eigentlich angemeldeten Demo-Aufzugs, den Einsatz der Polizei und die stundenlange Einkesselung Tausender teils unbeteiligter Menschen verteidigt und gutgeheißen. Laut ihm sei dies das "mildeste mögliche Mittel" der Einsatzkräfte gewesen, um eine Straßenschlacht zu verhindern.
Zudem hatte er den Versammlungsleitern Jürgen Kasek (42, Grüne) und Irena Rudolph-Kokot (49, SPD) wenig Kooperationsbereitschaft in den Gesprächen mit der Polizei sowie eine mangelnde Abgrenzung von gewaltbereiten Demonstrierenden vorgeworfen.
Dagegen wehrten sich die beiden Leipziger Politiker nun mit klaren Worten und wiesen die Vorwürfe über den angeblichen Ablauf des "Tag X"-Kooperationsgesprächs von sich: "Wir möchten Sie deutlich fragen, wie Sie zu solchen falschen und mithin ehrverletzenden Aussagen kommen, die einzig und allein dem Versuch dienen, die Schuldfrage auf die Versammlungsleitung und die Anmeldenden abzuwälzen." Ihrer Ansicht nach versteife sich der Innenminister auf Aussagen, von denen er selbst wisse, "dass diese nicht haltbar sein dürften". So hätten sie dem Ordnungsamt zahlreiche alternative Aufzugsrouten vorgeschlagen, die auch an der Innenstadt vorbeigezogen wären.
Und: Kasek und Rudolph-Kokot bezogen in dem Brief Stellung zu den momentan kursierenden Vermutungen, dass sich am "Tag X" vermummte Kriminalbeamte unter die Demonstrierenden gemischt haben sollen. Eigentlich schreibt das Sächsische Versammlungsgesetz vor, solche Beamten bei den Demo-Verantwortlichen anzumelden. Dies sei nicht geschehen, wie sie nun offenlegten. Eine Stellungnahme des Ministeriums dazu steht noch aus.
Offener Brief kritisiert Aussagen von Innenminister Armin Schuster
Doch damit nicht genug. Kasek und Rudolph-Kokot nahmen noch weitere Aussagen des Innenministers auseinander, die ihrer Ansicht nach nicht der Wahrheit entsprächen. So sei entgegen Schusters Darstellung sehr wohl mindestens eine Anzeige eines bei der Demo verletzten Jugendlichen bei der Polizei eingegangen.
Weitere Behauptungen Schusters, denen im Brief widersprochen wurde:
Unbeteiligte, friedliche Menschen hätten den Polizeikessel jederzeit verlassen dürfen? "Diese Aussage ist durch die Realität nicht belegt", so die Feststellung der Versammlungsleiter.
Den Eingekesselten hätten Toiletten durch die Einsatzkräfte zur Verfügung gestanden? Nicht alle Menschen in der Umschließung hatten die Möglichkeit, diese Ressourcen zu nutzen, wie die Versammlungsleiter darlegten. Diese Tatsache bestätigten Betroffene auch gegenüber TAG24.
"Dürfen wir fragen, ob Sie sich Recht und Gesetz verpflichtet fühlen oder Ihrer eigenen politischen Agenda?", warfen Kasek und Rudolph-Kokot dem Innenminister vor und forderten eine Stellungnahme: "Sie befeuern die Radikalisierung, die Sie vorgeben zu bekämpfen."
Titelfoto: Montage Sebastian Willnow/dpa ; Robert Michael/dpa