Deichkind positioniert sich bei Demo gegen Rechtsextremismus und 50.000 hüpfen mit
Hamburg - Bereits zum dritten Mal in diesem Jahr war Hamburg am heutigen Sonntag ein Schauplatz der Demokratie. Unter dem Motto "Wir sind die Brandmauer" waren auch diesmal mehr als 50.000 Menschen dem Aufruf von "Fridays for Future (FFF)" gefolgt und haben gemeinsam gegen Rechtsextremismus und die AfD protestiert. Musikalisch unterstützt wurden sie dabei unter anderem von der Hamburger Band "Deichkind".
Im Vergleich zu den zahlreichen Rednern sagten diese am Sonntagmittag zwar nicht viel, ließen dafür aber umso lauter ihre Musik und ihre weißen Jogginganzüge sprechen. Der Aufdruck "Impulsive Menschen gegen rechts" zierte sowohl Hoodie als auch Hose.
Mit dem Aufruf "Wir wollen keine Nazis und keine AfD" positionierte sich die Band dann aber doch auch noch einmal verbal deutlich und "Porky" alias Sebastian Dürre (46) verabschiedete sich mit den Worten: "Nehmt die Brandmauer mit nach Hause. Das ist erst der Anfang!"
Danach mischten sich die sechs unter die mehreren Zehntausend Menschen, die sie zuvor mit ihren teilweise leicht umgedichteten Hits wie "Bude Voll People" und "Wer Sagt Denn Das?" noch zum Hüpfen gebracht hatten, und liefen die Demo-Route durch die Innenstadt mit.
Auch die Band bedankte sich noch mal, dass die Menschen so zahlreich erschienen waren. Wie eine FFF-Sprecherin gegenüber TAG24 mitteilte, versammelten sich rund 50.000 Teilnehmer an der Bühne an der Edmund-Siemers-Allee. Die Polizei sprach am Abend von bis zu 60.000 Menschen.
Oliver von Wrochem: "Es reicht nicht mehr aus, allein in Gedenkstätten über die NS-Verbrechen aufzuklären!"
Zum allerersten Mal überhaupt auf einer Demo sprach am Sonntag Oliver von Wrochem, Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, zu der Menge.
"Es reicht nicht mehr aus, allein in Gedenkstätten über die NS-Verbrechen aufzuklären. Wir müssen dieses Wissen laut nach außen tragen", so von Wrochem, der mit seinem Auftritt ein Zeichen setzen will.
"Die Vordenker der völkischen Politik vertreten oft eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad. Sie wollen vergessen machen, wohin derartige Ideologien im Nationalsozialismus geführt haben. Das dürfen wir nicht zulassen." Die Frage, wie das NS-Regime damals so mächtig werden konnte, sollte uns auch heute noch beschäftigen.
Sowohl gesellschaftlich als auch familiär, so von Wrochem. Viele hätten auch 80 Jahre später die Verbrechen ihrer Verwandten immer noch nicht aufgearbeitet, dabei sei es so wichtig, "mit dem Wissen der Vergangenheit heute zu handeln" und für eine vielfältige und freie Gesellschaft zu kämpfen.
Maja Göpel: "Die Brandmauer braucht auch Türen!"
In den Reden wurde auch immer wieder der 9. Juni thematisiert, der Tag, an dem das Europäisches Parlament gewählt wird. Ein Datum, das viele fürchten, aber das Bild der Menschenmassen am Sonntag machte Politikwissenschaftlerin Katharina Nocun Mut.
"Ihr seid die Sonne der Hoffnung in diesen dunklen Zeiten", so Nocun. "Ich wünsche mir, dass jedes Kind, was jetzt gerade mit seiner Familie nach Deutschland gekommen ist, diese Bilder sieht und sieht, das wir die fucking Mehrheit sind!"
Die Hoffnung ist groß, dass die Mehrheit sich auch in den Wahlen widerspiegelt.
Transformationsforscherin Maja Göpel (49) betonte, dass die am Sonntag oft erwähnte "Brandmauer gegen Rechtsextremismus" aber auch Türen braucht, um einen "großen Dialograum" zu schaffen.
"Für all die, die sagen: Ich hatte mich verrannt, ich habe [es] jetzt erkannt, und ich möchte Zuwendung statt Abwendung und ich möchte Teil einer Gemeinschaft sein, in der wir aufeinander achten und in der wir uns nicht bedrohen!"
Titelfoto: Tag24/Madita Eggers