Wie es aussieht, wenn Chemnitz zunehmend dichtmacht
Chemnitz - Wird Chemnitz jetzt zur Geisterstadt? Das öffentliche Leben kommt zusehends zum Stillstand. Die City wie ausgestorben, die Einkaufszentren nahezu leer, die meisten Läden dicht. Wer noch offen hat, schützt seine Mitarbeiter und Kunden mit allen Mitteln vor einer Ansteckung.
In der Galerie Roter Turm sind noch elf Geschäfte (von rund 60) geöffnet. Galeria Kaufhof ist dicht - immer wieder rüttelten Passanten gestern verzweifelt an der verschlossenen Tür.
Auch auf dem Markt ist deutlich weniger los als sonst. An jedem Händlerstand verweisen Schilder darauf, mindestens anderthalb Meter Abstand zu halten. "Die Leute halten sich dran", sagt Jana Köhler (49) von der Imkerei Kaden aus Neukirchen.
Von Umsatzverlusten keine Spur, Honig verkauft sich in diesen Tagen gut. Eine Obsthändlerin nimmt die Krise indes deutlicher wahr: "Wir kämpfen hier ums letzte Hemd."
Auch Friseur Olaf Klück (56) hat in seinem Haarstudio an der Brückenstraße zu kämpfen: "Die Leute sagen Termine ab, sind verängstigt." Er selbst hat keine Angst vor einer Infektion: "Ich verwende Handschuhe, Mundschutz und Desinfektionslösungen."
Der Umsatz gehe zurück, für seine Mitarbeiter habe er Kurzarbeitergeld beantragt.
Das Turm-Brauhaus am Markt will am Freitag komplett schließen: "Es kommen immer weniger Leute. Nur bis 18 Uhr zu öffnen, ist schwer zu erklären. Das Virus hat keine Uhr", sagt Inhaber André Donath (55). Gisela Busch (71) gehörte gestern zu den letzten Gästen: "Weil es es hier so schön ist, wollte ich noch einmal einkehren, bevor möglicherweise eine Ausgangssperre kommt."
"Edeka Ziegler" an der Scharnhorststraße lässt die Einkaufswagen ab sofort mit einem Trockendampfgerät reinigen: "Der Dampf erreicht eine Temperatur von bis zu 190 Grad Celsius. Das ist besser als jedes Desinfektionsmittel", sagt Felix Pitsch (30), Niederlassungsleiter der ausführenden Firma Tadas.
Bei den Chemnitzern kommt das gut an: "Mich beruhigt das", sagt ein 90-jähriger Stammkunde. Dauerhaft leere Regale gibt es laut Marktchef Ralf Ziegler (60) nicht: "Wir haben keine Warenengpässe. Samstag kommt die nächste Lieferung."
Bleiben Sie zuhause!
Kommentar von Martin Gottschling
Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis in Deutschland eine Ausgangssperre verhängt wird. In Chemnitz bereiten sich Händler und Gastronomiebetriebe langsam darauf vor. Viele Läden in der Innenstadt waren schon gestern dicht, Cafés und Restaurants nur noch verkürzt geöffnet und spärlich besucht. Heute will zum Beispiel das Turm-Brauhaus seine Türen erst einmal komplett schließen.
Das ist das einzig Vernünftige. Zwar standen die einzelnen Tische schon in ausreichendem Abstand aneinander, doch wenn sich vier Leute gemeinsam an einen Tisch setzten, war es schwierig, anderthalb Meter voneinander entfernt zu sitzen. Dagegen bringen auch verkürzte Öffnungszeiten nichts. Auch vor 18 Uhr kann man sich mit dem Corona-Virus in der Kneipe anstecken.
Es ist jetzt notwendig, dass jede nur mögliche Schutzmaßnahme getroffen wird. Alle Chemnitzer, denen es möglich ist, sollten in den nächsten Tagen am besten zu Hause bleiben. Viele Existenzen sind derzeit durch fehlende Einnahmen gefährdet, doch die Gesundheit muss nun erst einmal vorgehen.
Titelfoto: Sven Gleisberg