Schützen Sexualhormone vor Corona?

Chicago - Neue Forschungsergebnisse legen nahe, dass weibliche Sexualhormone dazu beitragen könnten, vor Corona zu schützen.

Frauen, die kurz vor der Geburt ihres Kindes stehen, haben eine hohe Konzentration entzündungshemmender Hormone im Körper.
Frauen, die kurz vor der Geburt ihres Kindes stehen, haben eine hohe Konzentration entzündungshemmender Hormone im Körper.  © olegdudko/123RF

Die Zahl der Covid-19-Erkrankten und auch der Menschen, die mit dem Coronavirus gestorben sind, ist weltweit weiterhin auf einem Rekordniveau (mehr dazu lest Ihr >>> hier).

Wissenschaftler arbeiten deshalb seit Monaten unter Hochdruck an Lösungen, um die weitere Ausbreitung dieses potenziell tödlichen Erregers zu verlangsamen oder sogar zu stoppen.

Dazu untersuchen die Forscher auch Zusammenhänge zwischen SARS-CoV-2 und verschiedenen Faktoren, die Einfluss auf das Virus haben.

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Einer von ihnen ist Graziano Pinna, Professor für Psychiatrie an der Universität von Illinois in Chicago. Pinna untersuchte in seiner Studie, die im Fachjournal "Trends in Endocrinology and Metabolism" veröffentlicht wurde, welche Rolle Sexualhormone bei Covid-19 spielen.

Bekannt ist bereits, dass Männer im Vergleich zu Frauen bei dieser Krankheit offenbar öfter sterben.

Und dass eine Infektion mit dem Coronavirus schwerwiegendere Auswirkungen auf Menschen hat, die bereits eine Vorerkrankung haben oder einer bestimmten demografischen Gruppe angehören.

Laut "Medical News Today" werden beispielsweise ältere Menschen häufiger wegen Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert als jüngere, zudem ist bei den Älteren die Sterblichkeitsrate höher.

Tendenziell schwerere Symptome bei Männern

Einige Frauen, die mit einer Covid-19-Erkrankung aber ohne Symptome zur Entbindung kamen, mussten nach der Geburt des Kindes auf die Intensivstation, weil der Hormonspiegel rasch sank und die typischen Corona-Merkmale plötzlich auftraten.
Einige Frauen, die mit einer Covid-19-Erkrankung aber ohne Symptome zur Entbindung kamen, mussten nach der Geburt des Kindes auf die Intensivstation, weil der Hormonspiegel rasch sank und die typischen Corona-Merkmale plötzlich auftraten.  © Robert Michael/dpa

Darüber hinaus haben Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes häufig heftigere Corona-Krankheitsverläufe. In diesem Zusammenhang ist auffällig, dass Männer eher einen schweren Verlauf haben als Frauen.

In "Frontiers in Public Health" veröffentlichte Ergebnisse bestätigten außerdem, dass Männer tendenziell schwerwiegendere Corona-Symptome und auch Komplikationen zeigen als Frauen.

Demnach betrage das Verhältnis der Covid-Todesfälle bei Männern zu denen bei Frauen 1,35.

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Das bedeutet, dass je hundert Frauen, die sterben, 135 Männer mit der Krankheit zu Tode kommen. Das Verhältnis steigt und fällt mit dem Alter und erreicht in der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen einen Höchstwert von 2,56.

Keinen signifikanten Unterschied gibt es in der Anzahl der Männer mit SARS-CoV-2 im Vergleich zur Anzahl der Frauen, die die Infektion haben.

Doch welchen Einfluss haben nun die Sexualhormone? Zuerst einmal spielen sie im Körper eine wichtige Rolle, etwa beispielsweise bei der Produktion von Antikörpern. Die weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron sind außerdem für die Fortpflanzung wichtig. Doch auch ihr Verhältnis zu Testosteron kann etwa dazu beitragen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen.

Graziano Pinna bezog in seine Studie die Analysen von Östrogen, Progesteron und dem Steroid Allopregnanolon in seine Forschung ein.

"Progesteron und Allopregnanolon können die Überreaktion des Entzündungssystems blockieren, es unterdrücken" und dafür sorgen, dass nicht zu viele entzündungsfördernde Zytokine (das sind Proteine, die das Wachstum und die Differenzierung von Zellen regulieren) entstehen.

Entzündungshemmende Funktion von Sexualhormonen

Ein starkes Immunsystem ist wichtig zum Schutz vor dem Coronavirus.
Ein starkes Immunsystem ist wichtig zum Schutz vor dem Coronavirus.  © Andrii Nechypor/123RF

Aufgrund seiner Erkenntnisse geht Pinna davon aus, dass weibliche Sexualhormone ein Faktor für den Corona-Schutz sind.

Dazu beschreibt Pinna Fälle, in denen schwangere Frauen, die positiv auf das Virus getestet wurden, häufig keine oder nur leichte Symptomen hatten, als sie zur Entbindung ins Krankenhaus kamen.

Als der Hormonspiegel nach der Geburt abfiel, entwickelten sie jedoch schnell schwere Corona-Symptome. Einige mussten deshalb sogar auf die Intensivstation, nachdem sie ihre Babys zur Welt gebracht hatten.

Diese Beobachtungen nutzte Pinna, um den Unterschied zwischen der Schwere der Symptome bei Männern und Frauen zu untersuchen.

Seine Erklärung: Hormone, die zur Sicherheit der Schwangerschaft beitragen, sind kurz vor der Entbindung "hundert Mal stärker konzentriert. Östradiol, Allopregnanolon und Progesteron haben wichtige entzündungshemmende Funktionen und sind an der Wiederherstellung des Immunsystems beteiligt."

Und: "Schwangere sterben 15-mal seltener an Covid als andere Frauen." Auch der Verlauf der Erkrankung sei bei ihnen "in der Regel besser" als bei Frauen, die nicht schwanger sind.

Pinna ist deshalb der Ansicht, dass das auch eine Erklärung dafür sei, warum Frauen im Allgemeinen besser geschützt sind als Männer, bei denen gewisse Sexualhormone nur in reduzierter Zahl vorkommen.

Doch diese Beobachtung lasse laut Pinna noch eine weitere Schlussfolgerung zu. Und zwar darüber, warum ältere Menschen weniger geschützt sind als jüngere: Je älter jemand ist, desto geringer sind die Hormone.

Einen guten Rat hat Pinna noch: Weil die Ernährung eine wichtige Rolle beim Schutz vor Corona spielt, "ist es wichtig, (...) unser Immunsystem und damit unseren Körper gegen Covid zu stärken." Bestimmte Lebensmittel können den Spiegel an Sexualhormonen steigern. So erhöhen etwa Sojabohnen, Linsen und Hülsenfrüchte den Östrogenspiegel.

Titelfoto: Montage: Andrii Nechypor/123RF, olegdudko/123RF, Andreas Fuelscher/123RF

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