Innenminister, Kanzleramts-Chef, Karl Lauterbach: Spitzenpolitiker räumen Corona-Fehler ein
Berlin - "Wir werden einander viel verzeihen müssen", sagte Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (43, CDU) zu Beginn des Jahres 2020, als ein neuartiges Virus die Welt in Atem hielt: Sars-Cov-2. Während der Corona-Pandemie rang die Politik um den rechten Umgang mit ihr, fast drei Jahre lang dominierte es hiesige Debatten. Nun räumen die damals verantwortlichen Politiker ein, wenigstens teilweise Fehler gemacht zu haben. Die FDP fordert eine Untersuchung.
"Der größte Fehler war, dass wir bei den Kindern zum Teil zu streng gewesen sind und mit den Lockerungsmaßnahmen wahrscheinlich etwas zu spät angefangen haben", sagte der heutige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (61, SPD) dem "Spiegel". Im ersten Halbjahr 2020 war er in den ARD- und ZDF-Talkshows der mit großem Abstand häufigste Gast.
"Wir hätten mehr tun müssen, um Bildungsdefizite zu vermeiden", sagt er heute. Und man habe die Zeit nicht genutzt, um die "katastrophale Digitalisierung" in den Schulen zu verbessern.
"Wir haben den Kindern parallel zu wenig geboten, wir haben sie zu wenig psychotherapeutisch betreut. Wir haben Warnsignale übersehen", sagte er.
Ex-Innenminister Horst Seehofer (74, CSU) räumt ein: "Wir haben Entscheidungen getroffen, denen ich heute nicht mehr zustimmen würde. Zum Beispiel die nächtliche Ausgangssperre, die kaum Wirkung auf die Unterbrechung der Infektionsketten hatte."
Seine Lehre: "Mit Forderungen nach einer Zwangsimpfung muss man sehr vorsichtig sein." Denn: Heute seien in einem nicht zu vernachlässigenden Umfang Impfschäden bekannt.
Lauterbach: Unterm Strich kam Deutschland "sehr gut" durch die Pandemie
Ex-Kanzleramts-Chef Helge Braun (51, CDU) räumte ein: Die Regierung habe die Wirkmächtigkeit der Impfstoffe zu hoch eingeschätzt. Gestützt auf einen ersten Bericht des Robert-Koch-Instituts sei man davon ausgegangen, dass Geimpfte auch vor Ansteckungen sicher seien.
Später sei klar geworden, dass die Impfung höchstens vor schweren Verläufen schütze, nicht aber die Infektionsketten durchbreche.
Unterm Strich sei Deutschland aber "sehr gut" durch die Pandemie gekommen, so Lauterbach - auch weil die Bevölkerung hierzulande relativ alt sei. Technisch sei Deutschland heute viel besser auf die nächste Pandemie vorbereitet.
Dennoch plant die FDP eine Enquetekommission im Bundestag - um zu überprüfen, wie berechtigt die einzelnen Maßnahmen waren.
Titelfoto: Montage: Imago/Max Stein, picture alliance/dpa (2), picture alliance/dpa/dpa-Pool