2000 Prozent: Sind Fehlgeburten nach der Corona-Impfung extrem gestiegen?

Großbritannien - Eine besorgniserregende Entwicklung soll im Gange sein: Die Zahl der Frauen, die nach einer Corona-Impfung in Großbritannien Fehlgeburten gehabt hätten, sei explosionsartig gestiegen - um 2000 Prozent in 14 Wochen. Darüber schrieb unter anderem die Website Politikstube. Doch stimmt das überhaupt?

Die Zahl der Frauen, die nach einer Corona-Impfung in Großbritannien Fehlgeburten gehabt hätten, sei explosionsartig gestiegen. (Symbolbild)
Die Zahl der Frauen, die nach einer Corona-Impfung in Großbritannien Fehlgeburten gehabt hätten, sei explosionsartig gestiegen. (Symbolbild)  © svershinsky/123rf

Bei dem Artikel handelt sich in Teilen um eine Übersetzung eines Artikels der spanischen Website "mpr21".

Beide Artikel beziehen sich dem Augenschein nach auf Daten der britischen Behörde "Medicines & Healtcare oructs Regulatory Agency", kurz MHRA. In der "Yellow Card"-Datenbank können Beschäftigte im Gesundheitswesen und Einzelpersonen freiwillig Ereignisse und Beschwerden melden, die nach dem Erhalt einer Impfung oder eines Medikaments aufgetreten sind.

Berichte im System sind kein Beweis dafür, dass es sich wirklich um eine Nebenwirkung des Impfstoffs oder des Arzneimittels handelt. Muster in den gemeldeten Verdachtsfällen von Nebenwirkungen können jedoch ein Grund sein, diese weiter zu untersuchen.

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Die MHRA veröffentlicht wöchentlich einen Bericht über die Anzahl der Corona-Impfungen und den Stand der Yellow-Card-Meldungen. Diese Meldungen werden für jeden Corona-Impfstoff separat aufgeschlüsselt.

Für die Behauptung, die Anzahl an Fehlgeburten sei um 2000 Prozent gestiegen, werden Daten aus verschiedenen Zeiträumen verglichen. Der Zeitraum vom 9. Dezember 2020 bis 24. Januar 2021 wird von beiden Websites mit dem deutlich größeren Zeitraum vom 9. Dezember 2020 bis 5. Mai 2021 verglichen. In beiden Artikeln wird speziell mit den Zahlen für die Impfstoffe von Pfizer/Biontech und AstraZeneca argumentiert.

Im ersten Zeitraum, er umfasst knapp eineinhalb Monate, wurden im Großbritannien rund 7,1 Millionen Menschen geimpft. Bei Frauen, die die Impfstoffe von Pfizer und AstraZeneca erhalten haben, wurden im Yellow-Card-System insgesamt sechs Fehlgeburten registriert. Das sind 0,000085 Prozent aller zu diesem Zeitpunkt Geimpften.

Fehlgeburten auch außerhalb einer Pandemie häufig

Fehlgeburten kommen auch außerhalb einer Pandemie oder einer Impfkampagne vor, ein kausaler Zusammenhang zu Corona-Impfungen ist nicht bewiesen. (Symbolbild)
Fehlgeburten kommen auch außerhalb einer Pandemie oder einer Impfkampagne vor, ein kausaler Zusammenhang zu Corona-Impfungen ist nicht bewiesen. (Symbolbild)  © Fabian Sommer/dpa

Im zweiten genannten Zeitraum von Dezember 2020 bis Anfang Mai 2021, knapp fünf Monaten, wurden in Großbritannien insgesamt 34,9 Millionen Menschen geimpft.

Gemessen über diesen Gesamtzeitraum betrug die Zahl der gemeldeten "spontanen Fehlgeburten" für Pfizer und AstraZeneca zusammen 114. Das entspricht 0,00033 Prozent.

Damit hätte sich der Anteil um 292,86 Prozent erhöht - also deutlich weniger als die kolportierten 2000 Prozent. Der Vergleich ist jedoch unzulässig: Da Großbritannien auch zunächst ältere, anschließend zunehmend jüngere Personen impft und geimpft hat, befinden sich unter den Geimpften im zweiten Zeitraum deutlich mehr Frauen im gebärfähigen Alter.

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Beide Artikel berücksichtigen diese sich ändernden Proportionen nicht.

Eine weitere Tatsache, die in den irreführenden Artikeln nicht erwähnt wird, ist, dass Fehlgeburten auch außerhalb einer Pandemie häufig sind.

"Eine Fehlgeburt tritt in Großbritannien bei etwa einer von vier Schwangerschaften auf, die meisten davon in den ersten 12 Schwangerschaftswochen", berichtete die MHRA Politifact. "Es ist also zu erwarten, dass allein wegen dieser Wahrscheinlichkeit auch bei geimpften Frauen Fehlgeburten gemeldet werden."

Die Agentur fügte hinzu, dass diese Berichte genau überwacht würden, jedoch noch kein Muster gefunden wurde, das auf ein erhöhtes Risiko einer Fehlgeburt aufgrund von Corona-Impfstoffen hinweisen würde.

Schlussfolgerung zu den Fehlgeburten basiert auf einer Fehlinterpretation

Die Zahlen aus der britischen Datenbank lassen sich nicht vergleichen, denn im zweiten Zeitraum wurden anteilig mehr Frauen im gebärfähigen Alter geimpft. (Symbolbild)
Die Zahlen aus der britischen Datenbank lassen sich nicht vergleichen, denn im zweiten Zeitraum wurden anteilig mehr Frauen im gebärfähigen Alter geimpft. (Symbolbild)  © Pattanaphong Khaunkaew/123RF

Am 16. April empfahl das britische Immunologie-Beratungsgremium JCVI, Corona-Impfstoff schwangeren Frauen anzubieten. Darüber hinaus waren vor dieser Entscheidung bereits 90.000 schwangere Frauen in den USA geimpft worden, ohne dass Sicherheitsbedenken auftraten.

Meldungen aus Datenbanken wie dem britischen Yellow Card Scheme, der europäischen EMA oder dem amerikanischen VAERS werden regelmäßig als nachgewiesene Nebenwirkung einer Corona-Impfung fehlinterpretiert.

Die Deutsche Presse-Agentur hat solche Meldungen bereits mehrfach in Faktenchecks widerlegt. Auch weisen die Behörden als Betreiber der Datenbanken explizit auf diese Tatsache hin. Die Systeme sind dazu bestimmt, es Beschäftigten im Gesundheitswesen, aber auch Privatpersonen, zu ermöglichen, Krankheiten zu melden, die sie nach einer bestimmten Impfung entwickelt haben.

Ein Nachweis über eine Nebenwirkung kausal zu einer Impfung kann allerdings nur wissenschaftlich erbracht werden.

Die amerikanische Datenbank VAERS erklärt in einem Disclaimer, warum die Meldungen in diesem System sicherlich kein schlüssiger Beweis für einen Zusammenhang mit Impfstoffen sind: "Die Berichte können unvollständige, falsche, zufällige oder nicht überprüfbare Informationen enthalten. Die Meldungen an VAERS sind zum großen Teil freiwillig, was bedeutet, dass sie verzerrt sind. Dies schafft spezifische Einschränkungen in der wissenschaftlichen Nutzung der Daten."

Und auch Yellow Card erklärt: "Das Programm beruht auf der freiwilligen Meldung vermuteter Nebenwirkungen oder Vorfälle mit Medizinprodukten, die von Angehörigen der Gesundheitsberufe und der Öffentlichkeit, einschließlich Patienten, Betreuern und Eltern, gemeldet werden müssen."

Titelfoto: svershinsky/123rf

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