Cannabis "Made in Saxony": Demecan will Produktion hochschrauben
Dresden - Chronische Schmerzen, Spastik oder Magersucht - seit 2017 dürfen Ärzte in Deutschland Cannabis als Arzneimittel an schwerkranke Patienten verschreiben.
Seither suchte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Unternehmen, die auch hierzulande die Heilpflanze anbauen.
Das im selben Jahr gegründete Start-up Demecan erhielt den Zuschlag - als eines von nur drei Unternehmen.
Seit dem 20. April 2022 lieferte der Pharmakonzern mit knapp 80 Mitarbeitern von dem 100.000 Quadratmeter großen Produktionsgelände in Ebersbach medizinisches Cannabis "made in Saxony" an den Staat.
Die neuerliche Lockerung des Cannabis-Gesetzes in diesem Jahr, auf den Weg gebracht von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (61, SPD), könnte dem Unternehmen jetzt gar einen regelrechten Boom bescheren.
Demecan will zukünftig mehr Cannabissorten anbieten
Am 1. April 2024 trat das neue Cannabisgesetz in Kraft. Seitdem ist das Gewächs offiziell kein Betäubungsmittel mehr, der private Eigenanbau durch Erwachsene zum Eigenkonsum erlaubt.
Das hat auch Auswirkungen auf Medizin-Konzerne wie Demecan. Unternehmen, die Medizinalcannabis anbauen, dürfen zukünftig ihre Ernte selbst vermarkten und vertreiben.
Mitgründer und Geschäftsführer Constantin von der Groeben (39) hat daher große Pläne für den Standort nördlich von Dresden.
"Wir haben direkt am 2. April einen Antrag auf Ausweitung unserer heimischen Produktion gestellt. Der Antrag ist noch nicht genehmigt, aber dies könnte bedeutende Auswirkungen haben", so von der Groeben.
"Wir werden am Standort wachsen können, unterschiedlichere Produkte anbieten, nicht nur zwei Cannabissorten, sondern hoffentlich fünf, sechs, sieben."
Vor dem 1. April setzte das BfArM die produzierte Menge und den Abgabepreis per Ausschreibung fest. Importe hingegen waren unbegrenzt möglich. Das entfällt nun. Das Medizinal-Cannabisgesetz beendete die Benachteiligung für deutsche Unternehmen nach Angaben des Herstellers.
Demecans Hightech-Plantage kostete 18,6 Millionen Euro
"Wir haben überhaupt nur importiert, weil Demecan nicht mehr als eine Tonne in Deutschland anbauen durfte", sagte der Firmenchef. "Jetzt liegt Cannabis bei uns nicht mehr nur im Lager, sondern man könnte mehr produzieren - die Kapazitäten auf bis zu 20 Tonnen verzwanzigfachen!"
Auch ein Ausbau des erst im Herbst 2021 fertig umgebauten alten Schlachthofs sei für den Gründer eine Option.
Die Hightech-Plantage schlug damals mit knapp 18,6 Millionen Euro zur Kasse, rund ein Drittel durch EU-Fördergelder finanziert.
Laut von der Groeben steht jetzt im Landkreis Meißen das "Fort Knox" des Cannabis. "Das fängt an beim Stacheldrahtzaun und Kameras im Außenbereich bis hin zu einem bunkerartigen Gebäude mit mindestens 24 Zentimeter dicken Baustahlwänden, innerhalb dem die Gewächshäuser stehen."
Eine sechs Tonnen schwere Stahltür samt Erschütterungssensoren hält ungebetene Besucher ebenfalls davon ab, hineinzukommen.
Cannabis-Therapie wird eventuell von der Krankenkasse bezahlt
Drinnen wird die Pflanze in Indoor-Plantagen gezüchtet, von der Zellkultur bis zur Blüte. Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Nährstoffversorgung und Beleuchtung in vier der jeweils 200 Quadratmeter großen Blütenräume werden streng kontrolliert - ein Sonnenaufgang bis Untergang simuliert.
Nach knapp drei Monaten wird das Cannabis geerntet, getrocknet verpackt und versendet.
Patienten können das fertige Arzneimittel jedoch nicht über einen Werksverkauf beim Händler oder über die Apotheke beziehen. Cannabis bleibt verschreibungspflichtig, der Gang zum Arzt Pflicht.
Falls keine Therapiealternativen zur Verfügung stehen oder nicht angewendet werden können und eine Aussicht auf Besserung der Krankheit besteht, können Betroffene sogar einen Antrag auf Kostenübernahme bei ihrer Krankenkasse stellen.
Den Arzt könne man um Cannabis eines bestimmten Herstellers bitten - etwa dem von Demecan.
Der Fahrplan für das Start-up steht, das Ziel ist hoch: "Wir wollen wachsen. Wir wollen das führende Medizinische-Cannabis-Unternehmen in Deutschland werden", so von der Groeben. "Um das zu schaffen ist es wichtig, Geld aufzunehmen - sei es über Kredite oder mit weiteren Investoren - und so letztendlich den Zugang zu guten Produkten für Patienten zu erleichtern."
Der Stoff für Social Clubs?
Ab 1. Juli darf in Vereinigungen (Social Clubs) Cannabis zu nicht gewerblichen Zwecken angebaut werden - nach Erlaubnis der Landesbehörde.
Die Anzahl der Mitglieder ist auf jeweils 500 begrenzt. Die müssen über 18 sein und seit mindestens sechs Monaten in Deutschland leben.
An sie dürfen höchstens 25 Gramm pro Tag und maximal 50 Gramm Cannabis pro Monat zum Eigenkonsum weitergegeben werden. Für junge Erwachsene, von 18 bis 21, gelten gesonderte Regeln: Hier sind es monatlich maximal 30 Gramm.
Zudem darf der Stoff einen THC-Gehalt von zehn Prozent nicht überschreiten. Mitglieder bezahlen dafür nicht, entrichten jedoch Mitgliedsbeiträge an die jeweiligen Social Clubs.
Medizinalcannabis soll rechtlich weiter von Cannabis zu nicht-medizinischen Zwecken getrennt bleiben. Für Social Clubs darf Demecan erst einmal nicht produzieren.
Eine Kooperation könnte sich Geschäftsführer von der Groeben dennoch vorstellen: "Denkbar ist das. Ich glaube aber, es ist politisch nicht gewollt."
Der 39-Jährige will erst einmal abwarten, wie die Clubs anlaufen und ob am Gesetz noch einmal nachgebessert wird. "Aber Gespräche führen wir in der Tat, das tun wir schon."
Titelfoto: Fotomontage: Holm Helis