Justizsenatorin sieht verheerende Auswirkungen durch Cannabis-Gesetz: "Leider hatten wir Recht"
Berlin - Knapp drei Monate nach der weitgehenden Legalisierung von Cannabis sieht Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (49, CDU) ihre Befürchtungen bestätigt.
"Bereits jetzt sehen wir die verheerenden Auswirkungen: noch mehr Belastungen für eine ohnehin strapazierte Justiz", sagte die CDU-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Das Cannabisgesetz sei von der Bundesregierung übereilt beschlossen worden. Die Justiz habe früh vor den Belastungen durch das Cannabisgesetz gewarnt. "Leider hatten wir Recht", so Badenberg.
In Berlin müssen infolge des Gesetzes laut Staatsanwaltschaft knapp 5860 Strafverfahren, bei denen es um Drogendelikte mit Cannabis geht, überprüft werden. Grund ist eine Amnestieregelung für Altfälle.
Sie gilt besonders für Ermittlungsverfahren, die noch laufen, und Urteile, bei denen Geldstrafen noch nicht bezahlt oder Gefängnisstrafen nicht abgesessen wurden. Diese Verfahren müssen durchgesehen werden, um zu klären, ob die Urteile ganz oder teilweise unter die beabsichtigte Amnestie fallen.
Bislang sind laut Staatsanwaltschaft in rund 120 Fällen (Stand: 19. Juni) bereits verhängte Strafen wegen Verstößen mit Marihuana oder Haschisch reduziert worden. Bisher seien etwas mehr als 150 Anträge an die Gerichte zur Neubestimmung von Strafen geschickt worden. Bislang gebe es wenige Entscheidungen dazu. Etwa 100 Fahndungen nach Straftätern seien zurückgenommen worden, erklärte eine Sprecherin.
Die Prüfung sei umfangreich und zeitaufwendig, hieß es von der Senatsjustizverwaltung. Sie habe bereits mehrere Tausend Arbeitsstunden gekostet. In Einzelfällen seien auch mehrfache Überprüfungen nötig, wenn es um Strafverfahren gegen mehrere Täter gehe.
Legalisierung von Cannabis: Keine Entlastung durch neue Regelung
Eine Entlastung durch die neue Regelung sieht die Berliner Senatsjustizverwaltung nicht: Es sei absehbar, dass sie nicht geeignet sei, um den Schwarzmarkt für Cannabis einzudämmen.
Negative Auswirkungen sieht die Justiz bei der organisierten Rauschgiftkriminalität. Denn durch die Neuregelung können nicht alle Beweismittel im Strafverfahren genutzt werden.
Bei einem Prozess wegen Marihuana-Schmuggels im großen Stil hat das in Mannheim dazu geführt, dass der Angeklagte freigesprochen wurde. Denn der Mann war durch die Auswertung von Chats des Krypto-Messengerdienst Encrochat ins Visier der Ermittler gelangt.
Nach Auffassung des Landgerichts Mannheim konnten diese Erkenntnisse im vorliegenden Fall aber nicht genutzt werden - weil Cannabis aufgrund des neuen Gesetzes nicht mehr als Betäubungsmittel gilt.
Das Urteil aus Mannheim ist noch nicht rechtskräftig, sorgt aber bundesweit in der Justiz für Diskussion. Sollte sich die Entscheidung durchsetzen und das Gesetz nicht geändert werden, sieht die Berliner Staatsanwaltschaft weiter Probleme auf sich zukommen.
Denkbar seien zum Beispiel Entschädigungsforderungen für erlittene Untersuchungshaft, erklärte ein Sprecher.
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