Bauern gehen in ganz Europa auf die Straße! Und was tut die EU?
Brüssel - Landwirtinnen und Landwirte in mehreren europäischen Ländern gehen seit Wochen gegen die Agrarpolitik ihrer Regierungen und die Vorgaben der EU auf die Straße. In Brüssel wollen die Bauern am Donnerstag am Rande des Gipfeltreffens der EU-Staats- und Regierungschefs demonstrieren. Ein Überblick über die Proteste:
Deutschland
Seit Mitte Dezember protestieren Landwirte regelmäßig im gesamten Bundesgebiet und blockieren mit ihren Traktoren etwa Autobahnauffahrten oder versperren Supermärkte mit Misthaufen. Anlass sind Kürzungen von staatlicher Unterstützung.
Die Bundesregierung verzichtete wegen der Proteste auf die zunächst geplante Abschaffung von Vorteilen bei der Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Betriebe. Umsetzen will sie aber weiterhin den Wegfall der Subventionierung beim Agrardiesel - nun schrittweise bis 2026.
Zur Unterstützung der Landwirte drängt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (58, Grüne) auf eine sogenannte Tierwohlabgabe, einen Preisaufschlag für tierische Produkte. Die Einnahmen kämen Landwirten zugute, die ihre Ställe zum Wohl der Tiere umbauen.
Die Bundesregierung fördert den Bau von Offenställen für mehr Tierwohl in den kommenden Jahren mit insgesamt einer Milliarde Euro.
Frankreich
In Frankreich blockierten die Bauern am Mittwoch am dritten Tag in Folge wichtige Zufahrtsstraßen nach Paris und in andere große Städte.Nach Angaben der Regierung beteiligten sich rund 10.000 Landwirtinnen und Landwirte an den Protesten.
Von Zugeständnissen aus Paris zeigten sich die Bauernverbände bislang unbeeindruckt. Die Landwirte klagen wie in Deutschland über bürokratische Auflagen, kostspielige Umweltstandards und geringe Einkommen.
Sie fordern zudem, das Freihandelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay zu stoppen. Die Betriebe fürchten durch das Abkommen zusätzliche Belastungen wegen drohender Konkurrenz aus Südamerika.
Präsident Emmanuel Macron (46) hat angekündigt, die ausstehenden Verhandlungen zu blockieren.
Polen
Polnische Bauernverbände protestieren vor allem gegen Agrarimporte aus der Ukraine. In der vergangenen Woche blockierten sie landesweit rund 160 Straßen und wichtige Verkehrsachsen.
Nach Ansicht der Verbände drücken günstige Produkte aus der Ukraine die Preise, seit die EU infolge des russischen Angriffskrieges die Zölle auf viele Einfuhren ausgesetzt hat.
Als Reaktion auf die Proteste kündigte die EU am Mittwoch eine "Notbremse" für den Import von Geflügel, Eiern und Zucker aus der Ukraine an. Die Maßnahme soll die Einfuhren aus der Ukraine bei Durchschnittswerten aus den vergangenen zwei Jahren stabilisieren.
Sind die Importmengen höher, will die EU-Kommission die Zölle für diese Produkte wieder einführen.
Südeuropa
In Griechenland fordern Landwirtinnen und Landwirte zusätzliche Hilfen von der Regierung, um die Folgen des Klimawandels abzufedern.
Schwere Überschwemmungen zerstörten in einigen griechischen Regionen im vergangenen Herbst einen Großteil der Ernte. Die Bauern leiden in den Sommermonaten außerdem zunehmend unter Dürren und Waldbränden.
Bauernproteste gab es zuletzt auch in Italien, Spanien und Rumänien.
Wie in den übrigen EU-Ländern fordern die Verbände dort weniger finanzielle Belastungen und eine angemessene Vergütung.
Was tut die EU?
In Brüssel hat ein "strategischer Dialog" begonnen, der Bauern- und Umweltverbände sowie die Lebensmittelindustrie an einen Tisch bringen soll. In dem Format sollen langfristige Rahmenbedingungen für die zukünftige Agrarpolitik der EU ausgearbeitet werden.
Die Ergebnisse könnten in die nächste Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) einfließen, die für 2028 geplant ist.
Die Subventionen aus der GAP sind mit jährlich mehr als 50 Milliarden Euro der größte Haushaltsposten der EU. Davon gehen gut sechs Milliarden an Deutschland.
Die Gelder sind zum Teil an Umweltauflagen geknüpft, die EU fordert etwa den Anbau von Zwischenfrüchten.
Brüssel machte hier bereits Zugeständnisse an die Betriebe: Vorschriften für einen Mindestanteil an Brachland auf Ackerflächen bleiben bis Jahresende ausgesetzt.
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