Verhütung immer noch Frauensache? "Pharmaindustrie ist nicht an Pille für den Mann interessiert!"
Leipzig - Kondome, die Pille, das Femidom, die Hormon- oder Kupferspirale, das Diaphragma und mehr: Was Verhütungsmittel betrifft, gibt es mittlerweile eine kleine Auswahl an Möglichkeiten. Das Problem: Die meisten Verhütungsmittel müssen von der Frau benutzt werden, für Männer gibt es kaum Alternativen. Warum ist das so?
"MDR exactly"-Reporter Florian Lohoff und sein Team haben deshalb unter anderem mit Gynäkologin Dörte Meisel aus Wettin gesprochen und deren Praxis besucht. "Am meisten verschreibe ich hormonelle Verhütungsmittel, weil die am sichersten sind", so die Frauenärztin.
Völlig bewusst sind ihr natürlich die Nebenwirkungen, die beispielsweise das Einnehmen der Antibabypille nach sich ziehen, wie etwa Kopfschmerzen, Gewichtszunahme, ein erhöhtes Thrombose-Risiko oder der Verlust der Libido.
"Die Pille hat viele Nebenwirkungen, die hat die Schokolade aber auch, davon kann man Diabetes kriegen, dick werden. Alles kann Nebenwirkungen haben, die Nebenwirkung von hormonfreier Verhütung kann eine Schwangerschaft sein", so der pragmatische Ansatz der Gynäkologin.
Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt, dass der Anteil der Frauen, die die Antibabypille nutzen, von 72 auf 56 Prozent gesunken ist.
Der Anteil der jungen Menschen, die mit Kondom verhüten, ist der Studie nach von 40 auf 58 Prozent gestiegen.
Verhütung mit Hormonen kann Fruchtbarkeit einschränken
Viele Frauen wollen also weg von der Verhütung mit Hormonen - und das aus gutem Grund. Die Berliner Influencerin Adina Selin hatte mit 13 Jahren die Pille verschrieben bekommen und diese acht Jahre lang eingenommen.
"Ich hatte als Teenager starke Stimmungsschwankungen und depressive Phasen. Als ich die Pille abgesetzt habe, war das wie ein Aha-Moment. Ich hatte das Gefühl, ich bin aufgewacht und konnte wieder klar sehen", berichtete der Netz-Star.
Aber auch der Umstieg auf die Hormon-Spirale als Verhütungsmittel brachte nicht viel Erleichterung für die heute 27-Jährige. "Ich habe aus Interesse meine Hormone testen lassen und mein Progesteron-Wert war so niedrig, dass ich nach Absetzen der Spirale drei Jahre bräuchte, um wieder fruchtbar zu werden. Ich war schockiert!", so die Influencerin.
Viele junge Frauen würden auch Hormone verschrieben bekommen, ohne dass sie überhaupt Sex hätten - etwa, um Hautunreinheiten zu beseitigen.
Doch was gibt es denn nun für Verhütungsmethoden für den Mann? Außer dem Kondom stecken noch viele Alternativen in den Kinderschuhen der Forschung - wenn überhaupt.
Spritze für den Mann wegen Nebenwirkungen nicht auf dem Markt
Auf Anfrage des MDR, ob und wie viel im Bereich der männlichen Empfängnisverhütung geforscht wird, bekam das Redaktionsteam eine ernüchternde Antwort:
Bei großen Pharmakonzernen werden aktuell trotz Budgets keinerlei Forschungstätigkeiten ausgeführt.
"Die Pharmaindustrie macht genügend Geld mit der Pille für die Frau und ist nicht interessiert an der Pille für den Mann. Die neue Pille würde keinen zusätzlichen Markt eröffnen, sondern nur Anteile vom Markt der Pille für die Frau wegnehmen", weiß Androloge Michael Zitzmann.
2011 war er an einer Studie der WHO beteiligt, die eine Spritze zur Empfängnisverhütung für den Mann entwickeln sollte.
Diese wurde jedoch abgebrochen, weil etwa 10 Prozent der Probanden über Nebenwirkungen klagten - die gleichen Nebenwirkungen, mit denen Tausende der Frauen zu kämpfen haben, die die Antibabypille einnehmen. Diese ist bereits seit 60 Jahren auf dem Markt.
Was für Verhütungsmittel für den Mann aktuell im Gespräch sind und welche Forderungen an die Politik zum Thema Verhütung im Raum stehen, seht Ihr in der gesamten Doku auf YouTube.
Titelfoto: MDR/Preuss Film Berlin