Nie wieder Windeln wechseln: Ein Konzept verspricht Abhilfe

Fürth - Der Sohn von Monica Bahn ist ein halbes Jahr alt - und geht schon aufs Töpfchen. "Ich habe schon lange keine schlimme Windel mehr gemacht", sagt die 32-Jährige aus Fürth bei Nürnberg. Wenn ihr Sohn muss, signalisiert er es seinen Eltern und die halten ihn übers Töpfchen. Windelfrei nennt sich das Konzept, nach dem Monica Bahn ihren Sohn aufwachsen lässt.

Mehrere tausend Windeln müssen bei den meisten Kindern gewechselt werden, bis sie auf die Toilette gehen können. (Symbolbild)
Mehrere tausend Windeln müssen bei den meisten Kindern gewechselt werden, bis sie auf die Toilette gehen können. (Symbolbild)  © Christin Klose/dpa-tmn

Ein Baby ohne Windeln? Das ist für die meisten von uns heute unvorstellbar. "Es wird uns in unserer Gesellschaft vermittelt, dass das unbedingt nötig ist", sagt Cathleen Hilpert, die sich als Windelfrei-Coach ausbilden lassen hat und Workshops für Eltern in Fürth und Umgebung gibt.

Windelfrei bedeutet allerdings nicht, dass die Kinder überhaupt keine Windeln tragen. Vielmehr geht es darum, den Babys die Möglichkeit zu geben, sich auch außerhalb der Windel erleichtern zu können.

Dass die großen und kleinen Geschäfte dort immer drin landen, ist noch gar nicht so lange selbstverständlich - erst seit den 1970er Jahren gibt es Wegwerfwindeln in Deutschland.

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"Die Wegwerfwindel wurde entwickelt, um der Mama den Alltag zu erleichtern. Dadurch kann man das Baby einfach mal ablegen und muss nicht die ganze Zeit schauen, welche Bedürfnisse es hat", sagt Hilpert.

Doch die Einmalwindeln haben auch eine Kehrseite, die jede Familie mit kleinen Kindern kennt: Berge von Müll. Mehrere Tausend verbraucht jedes Baby, bis es auf die Toilette gehen kann. Und gut für die Haut sind diese ebenfalls nicht.

Windelfreie Erziehung: Wickelkinder haben oftmals Hautprobleme

Windelfrei bedeutet nicht, dass die Kinder gar keine Windeln tragen - sondern weniger. Ziel ist, dass das große Geschäft nach Möglichkeit im Töpfchen landet. (Symbolbild)
Windelfrei bedeutet nicht, dass die Kinder gar keine Windeln tragen - sondern weniger. Ziel ist, dass das große Geschäft nach Möglichkeit im Töpfchen landet. (Symbolbild)  © Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa-tmn

"Es entsteht immer eine feuchte Kammer und das trägt dazu bei, dass Hautprobleme entstehen können", sagt Burkhard Rodeck von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Viele Wickelkinder haben deshalb öfter einen wunden Po.

Vollgemachte Windeln zu wechseln - darauf hatte Nicola Schmidt schon in ihrer ersten Schwangerschaft keine Lust. Sie recherchierte und fand Vorbilder in anderen Kulturen wie in Vietnam, wo Kinder ohne Wegwerfwindeln aufwachsen. Die Mütter dort würden auf die Signale ihrer Babys achten und daran erkennen, dass diese müssten, sagt die Brandenburgerin. Ein Wissen, das in unserer Gesellschaft verloren gegangen sei.

Auch bei uns geben die Säuglinge nach Angaben von Schmidt Signale. Aber weil die Eltern nicht darauf reagierten und die Babys ständig Windeln trügen, hörten sie meistens nach ein paar Monaten damit auf.

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"Wir trainieren den Kindern die Windeln an, um sie ihnen dann wieder abzutrainieren", meint Schmidt. Sie selbst fand, dass das keinen Sinn macht. Ihre beiden Kinder sind deshalb windelfrei aufgewachsen.

Kinderarzt zur Wickelfrei-Bewegung: "Das passt nicht in Doppelverdiener-Familien"

Damals war Schmidt mit dieser Idee noch ziemlich allein. Doch inzwischen habe sich das geändert. "Es ist gerade dabei, aus der Nische zu kommen", sagt sie. In den vergangenen zehn Jahren haben sie und ihr Team nach eigenen Angaben 600 bis 800 Windelfrei-Coaches wie Cathleen Hilpert in Deutschland, Österreich und der Schweiz geschult.

Dass ein solches Konzept funktionieren kann, bestätigt auch Kinderarzt Rodeck. "Vor einigen Generationen war eine windelfreie oder eine windelarme Erziehung Normalität."

Doch er ist skeptisch, dass sich das heute noch so umsetzen lässt. "Wir haben heute keine Zeit mehr, so mit den Kindern umzugehen. Das passt nicht in Doppelverdiener-Familien, wo die Kinder in Krippen gehen."

Das findet Monica Bahn allerdings nicht. "Ich habe gar nicht den Anspruch, jedes Pipi zu erwischen", sagt sie.

Den Begriff "windelfrei" findet sie selbst auch etwas irreführend. Denn ihr Sohn trägt wie die meisten der Windelfrei-Babys zur Sicherheit eine Stoffwindel, falls sie es doch nicht rechtzeitig zum Töpfchen schaffen.

Titelfoto: Christin Klose/dpa-tmn

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