Familienhebammen unterstützen bei besonderen Belastungen: "Ich bin Netzwerkerin und Lotsin"
Magdeburg - Hebammen sind nicht nur rund um die Geburt gefragt. Sie können auch danach zu einem gelingenden Familie-Sein beitragen. Speziell ausgebildete Familienhebammen sind dafür im Einsatz - nun beginnt eine neue Weiterbildungsrunde.
Familienhebamme Undine Bielau will Mütter ermutigen. Sie will ermutigen, Unterstützungsangebote anzunehmen, um mit Kindern neue Wege zu gehen.
Es kann eine minderjährige Mutter sein, Eltern mit geistiger Behinderung, eine Familie in prekären finanziellen Verhältnissen oder auch Frauen mit depressiven Phasen - Familienhebammen helfen, wenn Überforderung mit einem Kind droht oder schon da ist. Es geht um Hilfe für Familien, die Probleme haben, ihren Alltag zu meistern. Viele Alleinerziehende sind darunter, denen ein Partner bei Entscheidungen fehlt.
Bielau betont, dass sie keine Kontrollinstanz ist und keinen Druck aufbaut. "Ich hebe hervor, was gut klappt." Der Ausgangspunkt ist ganz einfach: "Eine Hebamme hat jeder."
Sie kommt nach Hause in der Schwangerschaft, in der Zeit des Wochenbetts und bis zum ersten Geburtstag. Als Familienhebamme kann sie sich mehr Zeit nehmen, so viel, wie es für die Familie gerade notwendig ist.
Bielau ist seit 1997 Hebamme und 2008 hat sie sich zur Familienhebamme weiterbilden lassen. Sie ist damit laut dem Sozialministerium eine von 82 Fachkräften der Frühen Hilfen, die jährlich zusammen rund 500 Familien in Sachsen-Anhalt betreuen.
Bielau: "Ich bin Netzwerkerin und Lotsin"
Frühe Hilfen wird das System genannt, das möglichst wenige Hürden beinhalten soll. 13 Hebammen und Mitarbeiter des Gesundheitswesens haben kürzlich eine berufsbegleitende Weiterbildung begonnen, um Familien in besonderer Weise zu unterstützen.
Die Hebamme kommt nicht nur mit Maßband und Waage, um das Wachstum der Kinder zu dokumentieren, sondern schaut auch nach Ernährung, Gesundheitszustand und Hygiene. "Als Familienhebamme bin ich Netzwerkerin und Lotsin", beschreibt Bielau ihren Auftrag.
Sie leiste Unterstützung, ermutige Familien, Angebote zu nutzen.
Corona-Zeit hat Familien einsamer gemacht
Sie geht dann schon mal mit ins Freibad, wenn sich das eine Mutter mit drei kleinen Kindern zunächst nicht zutraut. Mit der einen Mutter kocht sie, der nächsten weist sie den Weg zu Gruppen mit Mutter-Kind-Angeboten. Für die Familienhebamme geht es darum, dass sich die Mütter trauen, etwas anderes auszuprobieren.
Es gebe Familien, die sich nicht öffneten, weil das unterschiedliche Bildungsniveau sie hindere oder auch die finanziellen Möglichkeiten. Und: "Die Einsamkeit der Familien in der Pandemie ist größer geworden", stellt Bielau fest. In der Corona-Zeit seien Hebammen und Kinderärzte oft der einzige Kontakt für Familien gewesen.
Die Familienhebammen werden von den Landkreisen und kreisfreien Städten sehr unterschiedlich finanziert, sagt Bielau, die auch erste Vorsitzende des Hebammenverbands Sachsen-Anhalt mit fast 300 Mitgliedern ist.
Das Spektrum reiche von 38 Euro pro Stunde bis Richtung 60 Euro. Fahrtkostenregelungen seien unterschiedlich, ob Teamsitzungen und Supervision extra bezahlt werden, auch. Letztlich verhandle jede Familienhebamme mit ihrem Jugendamt über die Finanzierung. Bielau wünscht sich eine einheitliche Bezahlung.
Die Aufwertung des Berufes mit der Akademisierung spielt auch eine Rolle. Wer heute Hebamme wird, muss studieren. Wer schon im Beruf ist, hat eine Hebammenschule besucht. Bielau würde begrüßen, wenn die Weiterbildung zur Familienhebamme anerkannt wird beim nachträglichen Erwerb des Bachelor-Titels für schon staatlich anerkannte Hebammen.
Die Aufwertung des Berufs sei nötig, ebenso wie mehr Aufmerksamkeit. Damit der Zugang zu einer Familienhebamme kein Zufall ist, brauche es auch eine stärkere Unterstützung durch Kinder- und Frauenärzte.
Titelfoto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa