Bürgermeister von Istanbul: Erdogan-Gegner Imamoglu muss in Untersuchungshaft
Von Anne Pollmann
Istanbul (Türkei) - Der Istanbuler Bürgermeister und wichtige Kontrahent von Staatschef Recep Tayyip Erdogan (71), Ekrem Imamoglu (53), muss in Untersuchungshaft.

Das ordnete ein türkisches Gericht an, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.
Imamoglu war am Mittwoch gemeinsam mit Dutzenden weiteren Menschen festgenommen worden, wenige Tage vor seiner geplanten Nominierung als Präsidentschaftskandidat der größten Oppositionspartei CHP. Imamoglu werden Terror- und Korruptionsvorwürfe in zwei Verfahren gemacht.
Die Anordnung der Untersuchungshaft erfolgte zunächst in Verbindung mit den Korruptionsermittlungen. In beiden Verfahren wird gegen 106 Personen ermittelt. Auch gegen Imamoglus Berater und viele andere wurde Untersuchungshaft angeordnet. Imamoglu weist alle Vorwürfe zurück.
Oppositionelle wie auch Beobachter werfen der Regierung vor, mit ihrem Vorgehen gegen Imamoglu einen politischen Konkurrenten ausschalten zu wollen. Seine Festnahme hat trotz Demonstrationsverboten für großen Protest im Land gesorgt, der bereits mehrere Tage andauert. Die CHP sprach von 300.000 Teilnehmern allein in Istanbul am Freitag. Überprüfen ließ sich die Zahl nicht.
Damaliger Wahlsieg Imamoglus gilt als herbe Niederlage für AKP

Imamoglus Sieg 2019 in Istanbul gilt als eine herbe Niederlage der AKP-Partei Erdogans, die die Großstadt bis dahin regierte. Imamoglu gewann in Istanbul 2024 ein weiteres Mal.
Politisch wird die Kontrolle über Istanbul oft als Symbol für den allgemeinen politischen Einfluss im Land gesehen. Hier hatte einst auch Erdogans Aufstieg seinen Anfang genommen, als er 1994 dort zum Bürgermeister gewählt wurde.
Hintergrund der Terrorermittlungen gegen Imamoglu ist laut staatlicher Nachrichtenagentur Anadolu eine Kooperation zwischen der CHP und der prokurdischen Dem-Partei bei den Kommunalwahlen. Über diese Kooperation habe die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK versucht, ihren Einfluss auszuweiten, zitierte Anadolu am Mittwoch die Generalstaatsanwaltschaft.
Der CHP-Vorsitzende Özgür Özel hatte die Festnahme seines Parteifreundes einen "zivilen Putsch" genannt. Die Partei Erdogans wehrt sich gegen den Vorwurf und nannte ihn den "Gipfel politischer Unvernunft".
Ungeachtet der Vorwürfe will die CHP an der geplanten Nominierung Imamoglus als Präsidentschaftskandidat der Partei heute festhalten. Bei der landesweiten Abstimmung sind 1,7 Millionen Parteimitglieder der CHP aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.
Imamoglu ist der einzige Kandidat. Beobachter stufen ihn als aussichtsreichen Herausforderer Erdogans ein, die Ermittlungen können seine offizielle Kandidatur aber verhindern. Die nächste reguläre Präsidentenwahl soll 2028 stattfinden.
Titelfoto: Emrah Gurel/AP/dpa