"Kriegsähnliche Szenen": Fast 100 Tote nach Unwettern in Urlaubsregionen

Valencia (Spanien) - "Ich halte mich an dieser Pflanze fest, um mich herum gibt es aber nichts, nichts, nur Wasser, als wäre ich mitten im Meer": Per Handyvideo bat Maite Jurado Freunde und Verwandte mit angsterfüllter Stimme um Hilfe. Ihr Auto war zu dem Zeitpunkt in Paiporta nahe der Metropole Valencia längst von den Wassermassen weggespült worden. Die junge Spanierin erlebte einen Alptraum, wurde aber gerettet und kam mit dem Schrecken davon. Anders als mindestens 95 Menschen, die bei einer Unwetterkatastrophe in Spanien starben.

Schlimme Unwetter mit Todesopfern erschüttern Spanien. Das Foto zeigt Autos in Alora, die von den Wassermassen weggeschwemmt wurden.  © Gregorio Marrero/AP/dpa

Mindestens 92 Tote gab es allein in der Region Valencia im Osten des Landes, wie der Notdienst der Region auf X mitteilte. Zwei weitere Leichen wurden in der benachbarten Region Kastilien-La Mancha geborgen, eine in Málaga im südspanischen Andalusien.

Es wird derweil befürchtet, dass die Zahl der Opfer weiter ansteigen wird. Nach zahlreichen Vermissten wird intensiv gesucht.

Allein in Paiporta könnte es Dutzende Tote geben, erklärte Bürgermeisterin Maribel Albalat gegenüber Medien.

Aus aller Welt Zehnstöcker stürzt zusammen: Mindestens ein Toter, zahlreiche Vermisste

Besonders schlimm ist die Lage in der auch bei Urlaubern sehr beliebten Region Valencia. Aber auch andere Mittelmeer-Anrainer-Regionen wie Andalusien und Murcia sind schwer betroffen.

Die starken Regenfälle setzten unzählige Straßen, Gebäude und Felder unter Wasser. Straßen und kleinere Brücken brachen weg, Bäume, Autos und auch große Lastwagen wurden von den Wassermassen wie Spielzeug mitgerissen. Neben heftigem Regen gab es Hagel und starke Windböen. Aus der andalusischen Küstenortschaft El Ejido unweit von Almería berichteten Einwohner von Hagelkörnern "so groß wie Golfbälle".

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Rettungsdienste sind in Albacete im Einsatz, nachdem der Fluss aufgrund heftiger Regenfälle über die Ufer getreten ist.  © Víctor Fernández/EUROPA PRESS/dpa

Eingeschlossen in Büros und Einkaufszentren

Aktuell wird intensiv nach zahlreichen Vermissten gesucht. Viele Gebiete liegen in Trümmern.  © Alberto Saiz/A

Autobahnen und Landstraßen wurden gesperrt. Auch Flug- und Bahn-Verkehr wurden erheblich beeinträchtigt. Am Dienstag war ein Hochgeschwindigkeitszug auf dem Weg von Málaga nach Madrid wegen eines Steinsturzes entgleist. Verletzte gab es dabei nicht.

Zahlreiche Menschen waren in Häusern, Büros oder Einkaufszentren eingeschlossen und setzten wie Maite Jurado in sozialen Medien Notrufe ab. Viele riefen auch beim TV-Sender RTVE und anderen Medien an, weil sie Freunde und Verwandte nicht kontaktieren konnten.

"Ich suche meinen 40 Jahre alten Sohn Enrique, der gestern mit seinem Van beruflich unterwegs war und von dem ich seitdem nichts mehr höre", sagte ein Rentner in RTVE den Tränen nahe.

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Die Menschen suchten auf Dächern von Autos und Häusern Schutz, die völlig vom Wasser umgeben waren, wie auf unzähligen Videos in Medien und im Netz zu sehen ist. Bei den Such- und Rettungsarbeiten sind neben Feuerwehrleuten und Angehörigen des Zivilschutzes allein in Valencia über 1000 Kräfte der Militärischen Nothilfeeinheit UME im Einsatz.

Reporterin spricht von "kriegsähnlichen Szenen"

Eine Anwohnerin nennt die Unwetter "wie die Hölle".  © Rober Solsona/Europa Press/dpa

Eine RTVE-Reporterin sprach auf einer überschwemmten Straße, in der zerstörte Fahrzeuge teils übereinander gestapelt lagen, von "kriegsähnlichen Szenen".

"Das ist wie die Hölle", sagte eine Anwohnerin. Ein eben geborgener Rentner sagte weinend vor laufenden Kameras: "Das war schrecklich, danke, danke an meine Schutzengel, die mich gerettet haben."

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez (52) sprach den Betroffenen Mut zu und versprach schnelle Hilfe. "Wir werden alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen. Wir werden euch nicht im Stich lassen." Er fügte an: "Ganz Spanien weint mit euch."

Die Europäische Union bot bereits Hilfe an. "Wir haben unser Copernicus-Satellitensystem aktiviert, um bei der Koordinierung der Rettungsteams zu helfen. Und wir haben bereits angeboten, unseren Katastrophenschutz zu aktivieren", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (66) in Brüssel.

Für die Katastrophe war der sogenannte "Kalte Tropfen" verantwortlich. Es handelt sich um ein Wetterphänomen, das vor allem in der spanischen Mittelmeerregion in den Monaten September und Oktober häufig auftritt und mit den stark unterschiedlichen Temperaturen von Meer und Luft zusammenhängt. Es entsteht, wenn sich die ersten atlantischen Tiefausläufer mit feuchtkalter Luft über das warme Mittelmeer schieben.

Erstmeldung von 7.13 Uhr, zuletzt aktualisiert um 22.01 Uhr.

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