Russische Raketen schlagen in Polen ein, Streitkräfte sind in erhöhter Bereitschaft

Przewodów (Polen) - Schwerer internationaler Zwischenfall: Anscheinend sind zwei russische Raketen am Dienstag in Polen eingeschlagen. Das berichten örtliche Medien.

Russland beschießt die Ukraine immer wieder mit Raketen. (Archivbild)
Russland beschießt die Ukraine immer wieder mit Raketen. (Archivbild)  © Vadim Belikov/AP/dpa

Wie Radio Zet entsprechend schreibt, soll es sich dabei um verirrte Raketen handeln, die in Przewodów (Woiwodschaft Lublin) unweit der Grenze zur Ukraine eingeschlagen sein sollen.

Durch die Explosionen sollen zwei Menschen gestorben sein. Fotos sollen den Einschlagsort zeigen. Darauf sind ein Traktor mit umgekipptem Anhänger und zudem auch ein Krater zu sehen.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (54) berief am Abend den Nationalen Sicherheitsrat ein, gab Regierungssprecher Piotr Müller (33) auf Twitter bekannt. Warum ist bislang noch nicht bekannt, die zeitliche Nähe lässt aber einen Zusammenhang mit dem mutmaßlichen russischen Raketenbeschuss naheliegen.

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Bislang gibt es keine offizielle Bestätigung der Behörden für den Grund des Zwischenfalls. Auch ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums wollte zunächst die Einschläge nach AFP-Angaben nicht bestätigen. Dazu reichten die ihm vorliegenden Informationen nicht aus.

Der Militärexperte Markus Richter hält es indes ebenso für möglich, dass die beiden Raketen von der ukrainischen Flugabwehr abgefangen wurden, jedoch weit über der Grenze niedergingen, schrieb er auf Twitter.

Am späten Abend wurde bekannt, dass Polen einen Teil seiner Streitkräfte in erhöhte Bereitschaft versetzt hat. Laut Nato-Sprecherin Oana Lungescu (64) wird es im Laufe des Mittwochs infolge des folgenschweren Zwischenfalls zu einer Dringlichkeitssitzung auf Ebene der Botschafter kommen, die von Generalsekretär Jens Stoltenberg (63) geleitet werden wird.

Wie die AFP berichtet, bezeichnete Moskau die Berichte über Raketentreffer in Polen derweil als "Provokationen". Es seien demnach keine Ziele im Grenzgebiet beschossen worden. Das wird derzeit prüfen. Das Weiße Haus arbeitet laut eigenen Angaben mit der Regierung Polens zusammen, um weitere Informationen über die Ereignisse zu bekommen.

Bilder sollen Schäden durch Raketeneinschlag in Polen zeigen

Ausrufen des NATO-Bündnisfalls trotz des Zwischenfalls nach aktuellem Stand sehr unwahrscheinlich

Solch ein schwerer internationaler Zwischenfall wurde seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine befürchtet.

Polen ist Mitglied der NATO. Sollten die Einschläge wider Erwarten als Angriff gewertet werden, könnte schlimmstenfalls der Bündnisfall ausgerufen werden. Angesichts der dramatischen Folgen besteht daran allerdings von keiner Seite Interesse.

Zuletzt beschoss Russland die Ukraine verstärkt mit Raketen und zielte auf die zivile Infrastruktur, um sie zu zerstören.

Am Dienstag gab es in diesem Zusammenhang gleich mehrere Angriffswellen mit mehr als 90 Marschflugkörpern. Vermutet wird, dass dabei anscheinend auch die zwei jetzt in Polen niedergegangenen Raketen losgeschickt wurden.

Internationale Reaktionen auf Zwischenfall auf polnischem Staatsgebiet

Internationale Reaktionen kamen zuerst aus dem Baltikum. Der lettische Verteidigungsminister Artis Pabriks (56) äußerte sich auf Twitter zu dem Zwischenfall: "Mein Beileid an unsere polnischen Waffenbrüder." Er fügte hinzu: "Lettland steht voll und ganz hinter den polnischen Freunden und verurteilt dieses Verbrechen." Am späten Dienstag wurde zudem bekannt, dass Ministerpräsident Krisjanis Karins (57) Berichten zufolge für Mittwoch eine außerordentliche Regierungssitzung einberufen hat.

Das Außenministerium von Estland verfasste einen deutlichen Tweet, spricht darin von sehr besorgniserregenden Nachrichten. "Wir beraten uns eng mit Polen und anderen Verbündeten. Estland ist bereit, jeden Zentimeter des NATO-Territoriums zu verteidigen. Wir sind voll solidarisch mit unserem engen Verbündeten Polen." Gitanas Nausėda (58), Präsident von Litauen, schrieb: "Litauen steht in starker Solidarität mit Polen. Jeder Zentimeter des NATO-Territoriums muss verteidigt werden!"

Deutlich zurückhaltender äußerte sich die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (41, Grüne). "Meine Gedanken sind bei Polen, unserem engen Verbündeten und Nachbarn. Wir beobachten die Situation genau und stehen in Kontakt mit unseren polnischen Freunden und NATO-Verbündeten", verbreitete sie auf Englisch und Polnisch via Twitter.

Außenministerin Annalena Baerbock (41, Grüne) äußerte sich aufgrund der Informationslage zunächst zurückhaltend.
Außenministerin Annalena Baerbock (41, Grüne) äußerte sich aufgrund der Informationslage zunächst zurückhaltend.  © Carsten Koall/dpa

Auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (57, SPD) hat sich auf dem Kurznachrichtendienst im Rahmen eines Tweets des Verteidigungsministeriums geäußert. "Meine Gedanken sind heute Abend bei unseren Freunden und Verbündeten in Polen. Mein tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen und Freunden der Opfer. Wir stehen in engem Kontakt innerhalb der Allianz. Die Nato bleibt stark."

EU-Ratspräsident Charles Michel (46) reagierte entsetzt. "Ich bin schockiert über die Nachricht, dass eine Rakete oder andere Munition Menschen auf polnischem Gebiet getötet hat", schrieb der 46-Jährige am späten Dienstagabend auf Twitter. Michel drückte den betroffenen Familien sein Beileid aus und stellte klar: "Wir stehen an der Seite Polens. Ich stehe in Kontakt mit den polnischen Behörden, den Mitgliedern des Europäischen Rates und anderen Verbündeten."

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (64) hat zudem mit Besorgnis auf die Berichte reagiert. "Ich bin alarmiert über Berichte über eine Explosion in Polen, nach einem massiven russischen Raketenangriff auf ukrainische Städte", erklärte sie auf Twitter. "Wir beobachten die Situation genau und stehen in Kontakt mit den polnischen Behörden, Partnern und Verbündeten."

Erstmeldung: 19.49 Uhr, zuletzt aktualisiert: 00.14 Uhr

Titelfoto: Vadim Belikov/AP/dpa

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