Um Jungs nicht zu verführen: Züchtige Kleidung für Mädchen in Schule gefordert
Gdańsk (Polen) - Lange Ärmel und Hosen, auch im Sportunterricht! Damit die Mädchen die Jungen in der Schule "nicht mit optischen Reizen verführen", soll eine Schule im polnischen Gdańsk (Danzig) entsprechende Kleidungsvorschriften erlassen haben.
Die neuen Regeln der Grundschule Nr. 16 "Władysław Broniewski" wurden vor Kurzem bekanntgegeben.
Wie der TV-Sender PolsatNews unter Berufung auf die überregionale polnische Tageszeitung Gazeta Wyborcza (Bezahlschranke) berichtet, müssen die Mädchen ab sofort im Schulgebäude ihre Arme und Beine bedecken. Tanktops etwa seien demnach nun verboten.
Außerdem dürfen die Schülerinnen nur noch in langen Trainingsanzügen zum Sport erscheinen.
Auf diese Weise sollen Jungs "nicht in Versuchung geführt" werden. Die haben solche Regeln übrigens nicht!
Außerdem sei einer Zwölfjährigen verboten worden, mit einer Tasche mit Regenbogenmuster zur Schule zu kommen, weil "die in der Schule nicht getragen werden".
Laut Gazeta Wyborcza würden ähnliche Regelungen auch von anderen Schulen der Woiwodschaft Pommern an der Ostseeküste im Norden Polens eingeführt werden. Zu Beginn des neuen Schuljahres teilten viele Lehrende den Schülerinnen mit, dass sie keine ärmelfreien Shirts und knappe Shorts tragen dürften. Die Arme müssen sie das ganze Jahr über bis zu den Händen bedecken, die Beine bis zu den Knöcheln.
Der Vater einer 14-Jährigen wandte sich an die Schuldirektion und bat um Aufklärung. Seine Tochter fühle sich inzwischen "allein aufgrund ihres Geschlechts minderwertiger als Jungen", erklärte er.
Kurze Hosen, tiefe Ausschnitte, enge Blusen: Alles verboten!
In einer Erklärung der Lehranstalt hieß es, dass die vorgeschriebene Kleiderordnung "einer der Punkte der Schulordnung" sei. Die Klassenlehrerin habe "mit der ganzen Klasse darüber gesprochen" und verkündet, dass Mädchen mit beispielsweise "zu kurzen" Hosen, "zu tiefen" Ausschnitten oder engen Blusen ihre Mitschüler provozieren und zu unangemessenen Äußerungen und Verhaltensweisen animieren könnten.
Inzwischen schaltete sich auch ein bekannter polnischer Politiker in die Diskussion ein, allerdings anders als möglicherweise von den Hütern der Moral erwartet: Donald Tusk (64). Bei Twitter veröffentlichte der ehemalige polnische Ministerpräsident und Vorsitzende des Europäischen Rates ein Foto von Regierungsmitgliedern der PiS-Partei und Polens Präsident, Andrzej Duda (49), die auf eine Akrobatik-Show junger Mädchen in knappen Outfits starrten.
Sein Kommentar: "Stehen diese Herren hinter der Anordnung, dass Schülerinnen in polnischen Schulen lange Hosen tragen und ihre Schultern bedecken müssen?"
"Schule lehrt weibliche Tugenden"
In einem auf der Website von Gdańsk erschienen Statement von Monika Chabior, stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt und zuständig für soziale Entwicklung und Gleichbehandlung, hieß es, dass es Chabior darum gehe, "dass die polnische Schule weibliche Tugenden lehrt". Lediglich eine Mutter hätte anonym mitgeteilt: "Die Kinder rebellieren dagegen." Chabior dazu: "Vielleicht bringt es was, aber vorerst bleibt es so, wie es ist."
Die Aktivistin Martyna Kaczmarek, die feministische Ziele unterstützt, forderte in diesem Zusammenhang auf Instagram: "Lasst uns aufhören, Mädchen und Frauen beizubringen, dass sie für das Verhalten von Jungen und Männern verantwortlich sind."
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