Nazis fielen auf Leiche rein: Wie die "Operation Hackfleisch" den Zweiten Weltkrieg mitentschied
Italien - Prompt fielen die Nazis darauf rein: Die falsche Leiche eines Mannes, den es niemals gab, beeinflusste vor 80 Jahren den Verlauf des Zweiten Weltkriegs erheblich. Am 30. April 1943 setzte ein britisches U-Boot vor der spanischen Küste einen angeblich ertrunkenen Geheimkurier mit falschen Angriffsplänen ins Wasser.
Der Geheimdienst nannte dieses Täuschungsmanöver "Operation Mincemeat" (Hackfleisch). Die Deutschen fingen die Papiere ab, ihr Führer schluckte den Köder und schickte seine Divisionen in die falsche Richtung.
Dies ermöglichte den Briten und Amerikanern, in Hitlers "Festung Europa" einzudringen und die Achsenmacht Italien zu neutralisieren.
Auf der Konferenz in Casablanca hatten Amerikaner und Briten lange darum gerungen, wo der Angriff auf das europäische Festland erfolgen soll. Stalin, das wusste man, hätte eine Front in Frankreich bevorzugt. Doch man entschied sich für Sizilien und damit für die Kontrolle über das Mittelmeer. Dieses Ziel hatte allerdings ein Problem.
Premierminister Winston Churchill (†90): "Nur ein Trottel wird nicht erkennen, dass es Sizilien ist." Auch in Berlin war man darauf eingestellt.
Also musste eine List her, um die Achsenmächte zu täuschen.
William Martin hat nie gelebt
Diese Aufgabe wurde dem Geheimdienst der Royal Navy übertragen. Dort heckte ein Lieutenant Commander Ewen Montagu (†84), im Zivilleben Anwalt, einen raffinierten Plan aus: Den deutschen Spionen sollen glaubhaft aussehende Befehle zugespielt werden, dass der Angriff der Alliierten in Griechenland, Sardinien und Korsika erfolgen wird.
Der Köder sollte ein abgestürzter Kurier sein. Und der Fall musste so authentisch konstruiert sein, dass er nicht als Täuschungsmanöver erkannt werden würde.
Zunächst erfand man die Identität des falschen Stabsoffiziers: ein junger Major mit dem Allerweltsnamen William Martin aus Cardiff. Der trug bei sich einen Liebesbrief seiner Verlobten und ein Foto dieser attraktiven Dame. Auch einen Brief seines Vaters, der ihm wegen dieser Verlobung zürnte.
Des Weiteren wurde ein an Martin adressierter Brief seines Bankiers präpariert, um über seinen sorglosen Umgang mit Geld zu mahnen. Ein junger Mann mit Alltagsproblemen und einer gewissen Risikobereitschaft.
Code "Husky" enthielt falsche Informationen
Ganz verantwortungsbewusst schien dieser William Martin aber mit seinem Auftrag umzugehen. Den Koffer mit dem brisanten Material hatte er an seinen Gürtel befestigt. Darin enthalten waren unter dem Code "Husky" falsche Aufmarschpläne auf dem Peloponnes und versteckte Hinweise auf Sardinien und Korsika.
Weitaus schwieriger war es für den britischen Geheimdienst, eine geeignete Leiche aufzustöbern, bei der es keine Angehörigen gab. Die Wahl fiel auf einen Obdachlosen, der durch die Aufnahme von Rattengift verstorben war. Er wurde in eine schmucke Uniform gesteckt und in Trockeneis eingelagert auf das U-Boot verfrachtet. Dann ging es von Schottland in Richtung Gibraltar.
Das im Krieg neutrale Spanien unter dem faschistischen Diktator Franco hatte man mit Bedacht ausgewählt.
Zum einen bringen die Katholiken Leichen oft sehr schnell und ohne Obduktion unter die Erde. Andererseits wimmelte es hier von deutschen Spionen.
Köder "voll geschluckt"
Die Strömung Richtung Land empfahl die Bucht vor der Stadt Huelva. Dort fand ein Fischer die präparierte Leiche und gab sie samt Koffer den Ermittlern.
Im Vorfeld schickten die Briten "versehentlich" schlecht verschlüsselte Funksprüche über einen in dieser Gegend vermissten Kurier in den Äther. Wenige Tage später wurde die Leiche samt Dokumentenkoffer von den Deutschland zugeneigten spanischen Behörden an den britischen Konsul übergeben.
An den Faltspuren der Papiere erkannte man, dass die falschen Pläne gelesen und kopiert worden waren. Man konnte davon ausgehen, dass der deutsche Attaché sie inzwischen nach Berlin geschickt hatte.
"Operation Hackfleisch voll geschluckt", meldete der britische Geheimdienst an Churchill.
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