Chirurg soll 299 Kinder unter Narkose missbraucht haben

Rennes (Frankreich) - Gut zwei Monate nach der Verurteilung von knapp 50 Vergewaltigern in dem aufsehenerregenden Prozess von Avignon beginnt in Frankreich am Montag (24. Februar) ein Verfahren gegen einen der mutmaßlich schlimmsten Kinderschänder des Landes: Der 74 Jahre alte, frühere Chirurg Joël Le Scouarnec - der bereits wegen anderer Fälle von Kindesmissbrauch inhaftiert ist - steht im Verdacht, 299 seiner Patienten sexuell missbraucht zu haben. Seine Opfer waren im Schnitt elf Jahre alt.

Der Prozess rund um Joël Le Scouarnec startet am Montag.
Der Prozess rund um Joël Le Scouarnec startet am Montag.  © GEORGES GOBET/AFP

Es gibt Parallelen zum Prozess gegen den Serienvergewaltiger Dominique Pelicot in Avignon: Viele von Scouarnecs Opfern waren laut Anklage während der Taten bewusstlos. Der Chirurg führte wie Pelicot sorgfältig Buch über seine Taten und hortete Fotos und Videos.

Der Unterschied: Während es im Pelicot-Prozess ein Opfer - Pelicots damalige Frau Gisèle - und 50 Täter gab, sind es nun ein Täter und knapp 300 Opfer.

Le Scouarnec muss sich wegen 111 Vergewaltigungen und 189 anderer sexueller Übergriffe vor Gericht verantworten. Der Tatzeitraum umfasst zweieinhalb Jahrzehnte, zwischen 1989 und 2014.

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In dieser Zeit arbeitete Le Scouarnec in zahlreichen Krankenhäusern - obwohl manche seiner Chefs und Kollegen wussten, dass er bereits früher wegen Kinderpornografie verurteilt worden war. Dies hat zu einem zweiten Ermittlungserfahren geführt, in dem es um Behördenversagen geht.

Ähnlich wie im Fall Pelicot kamen die Taten ans Licht, weil es wegen einer anderen Anzeige zu einer Hausdurchsuchung gekommen war. Dabei kamen Tagebücher des Chirurgen zutage, deren Inhalt an Perversität nur schwer zu überbieten sind.

Heftige Tagebucheinträge beschreiben Tatvorgehen

Auch in diesem Krankenhaus war Joël Le Scouarnec tätig.
Auch in diesem Krankenhaus war Joël Le Scouarnec tätig.  © GEORGES GOBET/AFP

Die Zeitung "Le Monde" veröffentlichte Auszüge, die es Lesern kalt den Rücken hinunterlaufen lässt. Le Scouarnec notiert dort, wie er seine Stellung als Chirurg nutzt, um sich an möglichst vielen Kindern zu vergehen.

"Der Vorteil von kleinen Mädchen ist, dass man sie anfassen kann, ohne dass sie Fragen stellen", schreibt er da etwa.

An älteren Kindern vergriff er sich demnach, wenn sie unter Narkose waren - auf dem Operationstisch oder im Aufwachraum. Dabei kam es auch zu Penetrationen mit dem Finger. Kein Sperma, keine Verletzungen, keine Erinnerungen - "nahezu das perfekte Verbrechen", resümiert "Le Monde".

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Viele der Opfer erfuhren erst im Erwachsenenalter, was ihnen widerfahren war. "Ich wusste immer, dass irgendwas nicht stimmte", sagte die 42 Jahre alte Amélie Lévêque der AFP, die von Le Scouarnec im Alter von neun Jahren am Blinddarm operiert und nach Einschätzung der Ermittler missbraucht worden war.

Sie hatte später eine Krankenhausphobie, litt an Essstörungen, war depressiv.

Horror-Arzt soll schon als Jugendlicher Faible für Listen aller Art gehabt haben

Joël Le Scouarnec (74) sitzt auf der Anklagebank.
Joël Le Scouarnec (74) sitzt auf der Anklagebank.  © Benoit PEYRUCQ / AFP

Dank der minutiösen Aufzeichnungen des Arztes konnten die 299 mutmaßlichen Opfer identifiziert werden. Le Scouarnec soll schon in seiner Jugend ein Faible für Listen aller Art gehabt haben.

Der Angeklagte ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft weitgehend geständig. Er wolle sich während des Prozesses zu den Taten äußern, sagte sein Anwalt Thibaut Kurzawa. Der Prozess findet im bretonischen Ort Vannes in einem eigens zum Gericht umgebauten Universitätsgebäude statt.

Er ist auf vier Monate angelegt, an mindestens sieben Tagen soll die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

Titelfoto: Bildmontage: Benoit PEYRUCQ / AFP, GEORGES GOBET / AFP

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