Bereits mehr als 200 Tote durch kenianischen Sektenkult
Malindi (Kenia) - Seit Wochen sorgt der Fall einer evangelikalen Sekte in Kenia für Schlagzeilen. Der mittlerweile inhaftierte Sektenführer soll seine Anhänger dazu aufgerufen haben, sich zu Tode zu hungern. Das ganze Ausmaß ist auch nach dem Fund von 200 Leichen nicht absehbar.
Der kenianische Präsident William Ruto (56) hat im Zusammenhang mit einer "Hungersekte" in der Küstenregion des Landes von Behördenversagen gesprochen und sich entschuldigt.
In einem Interview mit Vertretern der größten Fernsehsender des ostafrikanischen Landes bezifferte er die Zahl der bisher bekannt gewordenen Opfer am Sonntagabend mit 210.
"Ich übernehme als Präsident Verantwortung. Das hätte nicht geschehen dürfen", sagte Ruto. Einige derjenigen, die für das Versagen der Behörden verantwortlich seien, würden zur Rechenschaft gezogen. Bereits am Vormittag hatte der Präsident während eines Gottesdienstes Aufklärung versprochen.
Am Samstag waren nach Angaben der regionalen Behördenchefin Rhoda Onyancha 22 weitere Opfer exhumiert worden. Überlebende seien in dem Waldgebiet Shakahola bei Malindi am Samstag nicht gefunden worden.
Über die Gesamtzahl der Opfer der Sekte kann weiterhin nur spekuliert werden, denn noch immer werden Menschen von Angehörigen als vermisst gemeldet. Am Samstag war die Zahl vermisster Sektenmitglieder auf 610 gestiegen.
Pastor Paul Mackenzie forderte seine Anhänger zum Hungern auf
Mit der Festnahme eines weiteren Verdächtigen sei die Zahl der Festgenommenen auf 26 gestiegen - unter ihnen auch der Sektenführer. Dieser sitzt derzeit in Untersuchungshaft und war mit einem Antrag auf Freilassung auf Kaution gescheitert.
Der selbsternannte Pastor, ein ehemaliger Taxifahrer, hatte seine Kirche "Good News International Church" bereits 2003 gegründet und zuletzt mit seinen Anhängern isoliert in dem Waldgebiet gelebt. Er soll die Gläubigen aufgefordert haben, sich zu Tode zu hungern, um so Jesus nahe zu sein.
Auf Anweisung des Sektenführers hatten dessen Anhänger den Kontakt zu ihren Angehörigen abgebrochen, ihre Arbeit aufgegeben und ihre Kinder nicht mehr zur Schule geschickt. Außenstehende bekamen daher kaum etwas davon mit, was in dem Wald vor sich ging.
Vor rund vier Wochen hatte die Polizei Unterernährte in kritischem Zustand in dem Waldgebiet vorgefunden, das später auf Massengräber durchkämmt wurde.
Die Exhumierungen der zahlreichen Massengräber in dem Wald sollen am Dienstag wieder aufgenommen werden. Die Suche nach möglichen Überlebenden wurde durchgehend fortgesetzt. Die Unterbrechung der Grabungen wurde mit logistischen Anforderungen begründet.
In Kenia wird der Fall als "Shakahola Massaker" bezeichnet
Angesichts der hohen Zahl der Toten sind die Kapazitäten in der Leichenhalle des örtlichen Krankenhauses längst erschöpft. Das kenianische Rote Kreuz hatte einen Kühlcontainer in die Region gebracht, in dem die Toten zunächst gelagert werden können.
Bisher wurden von 93 Leichen DNA-Proben zur Identifizierung genommen. Außerdem konnten die sterblichen Überreste von 14 Sektenopfern ihren Familien zur Bestattung übergeben werden, sagte Onyancha.
Bei den bereits vorgenommenen Obduktionen der Toten war in der Mehrheit der Fälle Verhungern als Todesursache festgestellt worden. Es gab aber auch Kinderleichen, bei denen Tod durch stumpfe Gewaltanwendung oder Ersticken als Ursache gilt.
In der kenianische Öffentlichkeit wird der Fall mittlerweile als "Shakahola Massaker" bezeichnet. Er hat auch eine Diskussion über strengere Regeln und Mindeststandards für die Registrierung religiöser Gemeinschaften in Gang gesetzt.
Eine Kommission im Auftrag der Regierung soll innerhalb der nächsten sechs Monate Empfehlungen ausarbeiten. Dabei soll es darum gehen, die Entwicklung von fragwürdigen Sekten ebenso zu unterbinden wie die Verbreitung von religiösem Extremismus.
In dem überwiegend christlichen ostafrikanischen Land sind außer den großen Konfessionen rund 4000 freikirchliche und evangelikale Kirchen registriert.
Titelfoto: Uncredited/AP