Port-au-Prince (Haiti) - Die Gewalteskalation in Haiti findet einfach kein Ende: In Port-au-Prince haben Anwohner und Polizisten 28 (mutmaßliche) Bandenmitglieder umgebracht. Seit Montag sorgt der Bandenzusammenschluss Viv Ansamn in der Hauptstadt des karibischen Inselstaates für eine erneute Verschärfung der blutigen Konflikte.
Wie die Behörden selbst bestätigten, wurden in der Nacht auf Dienstag (Ortszeit) zwei Wagen von Bandenangehörigen angehalten. Die Polizei eröffnete das Feuer und tötete zehn Personen, wie Sprecher Lionel Lazarre laut AFP berichtete.
Weitere Fahrzeuginsassen wollten fliehen, wurden von den Beamten und von Bewohnern, die mittlerweile sogenannte Selbstverteidigungsgruppen gegründet haben, allerdings ebenfalls getötet.
Aufnahmen aus Petion-Ville, einem Vorort von Port-au-Prince, zeigen erschütternde Zustände: Noch auf den Straßen werden die Leichen der mutmaßlichen Bandenmitglieder verbrannt! Unter in Flammen stehenden Autoreifen sind verkohlte Gliedmaßen und verbrannte Körper zu erkennen.
Mitglieder der Selbstverteidigungsgruppen ziehen die Leichen der Getöteten an Seilen über die Straße. Doch auch die Opfer der Banden sind zu sehen. Eine Frau sitzt neben dem leblosen Körper ihres Bruders. Es sind Bilder des Schreckens.
Haiti von brutalen Bandenkriegen und "Gewalt durch die Polizei" heimgesucht
Schon seit Jahrzehnten gilt Haiti als gescheiterter Staat, zählt als einzige Nation der westlichen Hemisphäre zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. 2021 wurde Präsident Jovenel Moïse ermordet, die Täter wurden nie gefasst.
Der danach kommissarisch amtierende autoritäre Präsident Ariel Henry ließ keine freien Wahlen zu. 2023 starben mehr als 2000 Menschen bei gewaltsamen Auseinandersetzungen. Seit einigen Monaten wird Haiti von einem Übergangsrat regiert. Der Bandenzusammenschluss Viv Ansamn will erreichen, dass dieser Rat zurücktritt. Dabei scheint jedes Mittel recht.
Die Nichtregierungsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtet indes von "Gewalt und Drohungen durch die Polizei", wegen der man die Aktivitäten in der Hauptstadt des 11,7-Millionen-Einwohner-Landes einstellen werde. In "Haiti und anderswo sind wir es gewohnt, unter extrem unsicheren Bedingungen zu arbeiten, aber wenn selbst die Sicherheitskräfte zu einer direkten Bedrohung werden, haben wir keine andere Wahl, als unsere Projekte auszusetzen", hieß es.
Demnach hätten Polizisten wiederholt Fahrzeuge der Organisation angehalten und Mitarbeiter bedroht - "einschließlich Todes- und Vergewaltigungsdrohungen".