Studenten werden gezwungen, ihre eigene Entführung zu inszenieren
Australien - Die australische Polizei machte jetzt auf eine Reihe ungewöhnlicher Betrugsfälle aufmerksam. Chinesische Studenten werden gezwungen, ihre eigene Entführung zu inszenieren, damit von ihren Familien Lösegeld gefordert werden kann.
Laut einer Pressemitteilung der NSW Police Force wurden in diesem Jahr mehrere solcher sogenannten "virtuellen Entführungen" bekannt. Die Hintermänner sollen bisher so insgesamt 3,2 Millionen australische Dollar (etwa 1,95 Millionen Euro) Lösegeld ergaunert haben, heißt es.
"Eine 'virtuelle Entführung' ist ein ausgeklügelter Erpressungsbetrug", so die Polizei.
So läuft der widerliche Betrug ab:
Zunächst werden chinesische Studenten, die sich in Australien aufhalten, von den Betrügern angerufen. Diese geben sich als chinesische Polizisten oder Regierungsmitglieder aus und sprechen mit ihren Opfern in Mandarin.
Im Gespräch vermitteln sie den jungen Studenten glaubhaft, dass sie in ihrer Heimat von der Polizei gesucht werden, in organisierte Verbrechen verwickelt sind, ein Strafverfahren gegen sie vorliegt oder ähnliches.
Zwei Szenarien sind bekannt, wie die Betrüger anschließend weiter vorgehen. Entweder die Studenten werden dazu gedrängt, eine hohe Gebühr auf ein Offshore-Konto zu überweisen, um einer Ausweisung zu umgehen, oder sie werden gezwungen, ihre eigene Entführung zu inszenieren.
Dazu brechen die meist um die 20-Jährigen den Kontakt zu Freunden und Familie ab, mieten sich anschließend in ein Hotel ein, fesseln sich an Händen und Füßen, um sich dann zu fotografieren. Diese Bilder werden anschließend mit einer Lösegeldforderung von den Betrügern, die sich erneut als Polizisten ausgeben, an die Familien in China geschickt.
Der "CNN" liegen Bilder der angeblichen "Entführungsopfer" vor, die verdeutlichen, wie echt diese Entführungen auf die Angehörigen wirken müssen. Kein Wunder also, dass sie enorme Summen an die Verbrecher überwiesen, um ihre eigenen Kinder zu retten.
Aber wieso lassen sich die chinesischen Studenten darauf ein?
Die Erklärung ist recht einfach, so der Kriminologe Dr. Lennon Chng gegenüber "CNN": "Internationale Studenten sind die anfällige Gruppe, weil sie in diesem Land keine wirkliche Unterstützung haben."
Und weiter: "Für diese Art von Betrug haben sie nicht viel Erfahrung mit der Gesellschaft, sodass sie den sogenannten 'Botschaftsleuten' glauben".
Außerdem sei es in China für junge Leute nicht ungewöhnlich, für ein Verbrechen angeklagt zu werden, das entweder keines ist, oder an dem man gar nicht beteiligt war. Deshalb zweifeln sie nicht an dem Wahrheitsgehalt der Anrufe.
Bisherige Opfer der betrügerischen Masche
"Allein in diesem Jahr sind der NSW-Polizei acht Fälle von virtuellen Entführungen bekannt, bei denen Lösegeldzahlungen zwischen 20.000 Dollar (etwa 12.181 Euro) und 500.000 Dollar (etwa 304.525 Euro) und in einem Fall - 2 Millionen Dollar (etwa 1,2 Millionen Euro) - gezahlt wurden", so die Polizei.
Um der Lage Herr zu werden, hat sich die NSW unter anderem mit der chinesischen Botschaft in Verbindung gesetzt, um so mögliche künftige Opfer vor dieser Art von Betrug zu warnen.
In ihrer Pressemitteilung fasst die Polizei vier solcher angeblicher "Entführungen" zusammen. Alle aus diesem Jahr.
Mittwoch, 22. April 2020
In Sydney machte man sich Sorgen um eine 20-jährige Studentin. Chinesische Angehörige glaubten, sie sei entführt worden. Die geforderte Lösegeldsumme von 300.000 Dollar (etwa 182.600 Euro) wurde bezahlt, nachdem sie von einem angeblich chinesischen Polizisten kontaktiert wurden. Die junge Frau wurde einen Tag später wohlbehalten in einem Haus aufgefunden.
Samstag, 30. Mai 2020
Ein Video wurde über WeChat an die Familie einer 22-jährigen Frau geschickt. Auf dem war sie gefesselt und hatte die Augen verbunden. Für ihre Freilassung hat ihre Familie 20.000 Dollar (etwa 12.181 Euro) gezahlt. Am nächsten Tag fanden Beamte die junge Frau sicher in einem Hotel in Nord-Sydney.
Mittwoch, 17. Juni 2020
In St. George meldete sich ein Mann aus China bei der Polizei, der ein Video seiner gefesselten Tochter (22) sah. Kurze Zeit später fanden die Beamten die 22-Jährige in einem Hotel in Hurstville. Zuvor wurde dem Betrüger eine Lösegeldsumme von 2 Millionen Dollar (etwa 1,2 Millionen Euro) gezahlt.
Dienstag, 14. Juli 2020
In Ryde wurden Polizisten von einer Frau über die Entführung ihrer 21-jährigen Mitbewohnerin informiert. Die Eltern der angeblich entführten Frau hatten sie um Hilfe gebeten, nachdem sie ein Video ihrer Hilfe suchenden Tochter erhalten hatten. Beamten fanden die Frau noch am selben Tag.
Zuvor hatte sie selbst 100.000 Dollar (etwa 60.866 Euro) auf ein Offshore-Bankkonto eingezahlt, nachdem ein unbekannter Anrufer vor der "virtuellen Entführung" Forderungen gestellt hatte.
Titelfoto: 123RF/Anton Estrada