ChatGPT: So wird Künstliche Intelligenz unser Leben verändern

Chemnitz/Dresden - Die künstliche Intelligenz ChatGPT ist derzeit in aller Munde. Die Software schreibt Texte, die akademische Prüfungen bestehen. Sie hilft Skrupellosen beim Täuschen und schüchtert Ängstliche maßlos ein. Ist das der Anfang vom Ende der menschlichen Kreativität? Killt die KI nun im Handumdrehen Jobs und Existenzen? Eine Suche nach Antworten und Meinungen - von echten Menschen.

Viele Schüler nutzen schon ChatGPT, um Hausaufgaben zu machen. In New York sehen die Lehrer das kritisch. Das Programm ist auf allen Schul-Rechnern gesperrt. (Symbolbild)
Viele Schüler nutzen schon ChatGPT, um Hausaufgaben zu machen. In New York sehen die Lehrer das kritisch. Das Programm ist auf allen Schul-Rechnern gesperrt. (Symbolbild)  © 123RF/trzykropy

Vier Wochen hatte Konrad (17) für den Bio-Vortrag. Montag muss er ihn vor der Klasse halten. Tagelang machte Mutter Kerstin (42) ihm deswegen Druck. Jetzt rauft die Dresdnerin sich die Haare: "Mit ChatGPT hat Konrad den Vortrag inklusive Tafelbild in 15 Minuten fertig gemacht. Wo führt das hin?"

Die Software ChatGPT des US-amerikanischen Entwicklers OpenAI wurde Ende November 2022 veröffentlicht. Der Softwarekonzern Microsoft hatte bereits 2019 eine Milliarde Dollar in das Unternehmen investiert und kürzlich angekündigt, bald weitere Milliarden nachzuschießen.

ChatGPT ist in der Lage, dank künstlicher Intelligenz (KI) Texte zu erstellen, die nicht nur schlau klingen, sondern es oftmals auch sind.

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ChatGPT wurde mit gewaltigen Mengen von Texten und Daten darauf trainiert, die menschliche Sprache nachzuahmen. Der Bot (abgeleitet von Roboter) kann Inhalte zusammenfassen, Fragen beantworten, erklären, dichten, programmieren, argumentieren, analysieren, zitieren und sogar einfache Sachaufgaben lösen.

Akademische Hürden meisterte ChatGPT auch schon - zum Beispiel den US-amerikanischen Medizinertest USMLE.

Dank KI und ausgefeilter Technik werden Roboter immer mehr Tätigkeiten übernehmen können, die bisher nur der Mensch ausführen konnte. Die Zukunft der Produktion liegt in dynamischen Teams "Mensch+Maschine".
Dank KI und ausgefeilter Technik werden Roboter immer mehr Tätigkeiten übernehmen können, die bisher nur der Mensch ausführen konnte. Die Zukunft der Produktion liegt in dynamischen Teams "Mensch+Maschine".  © 123RF/halfpoint

Kultusministerium sieht ChatGPT nicht als Bedrohung, sondern als Chance

KI unterstützt in Krankenhäusern bereits heute Ärzte bei Operationen.
KI unterstützt in Krankenhäusern bereits heute Ärzte bei Operationen.  © IMAGO/Javier Larrea

Doch das Programm mischt zugleich auch überzeugend völlig falsche unter die korrekten Informationen. Wissenschaftler und KI-Experten warnen in diesem Zusammenhang vor Falschnachrichten und Hassparolen, aber auch Datenschutz- und Datensicherheitslücken.

Der aktuelle weltweite Hype um ChatGPT und die damit angefachten Bildungsdebatten ("Macht es jetzt überhaupt noch Sinn, Schülern und Studenten Hausaufgaben zu geben?") haben die Macher der schreibenden Software ChatGPT aufgeschreckt. Sie versuchen jetzt, die Folgen ihrer Erfindung in den Griff zu bekommen.

Die Entwicklerfirma OpenAI veröffentlichte ein Programm, das unterscheiden soll, ob ein Text von einem Menschen oder einem Computer geschrieben wurde. Das Programm funktioniert allerdings sehr mangelhaft. Ob es jemals "Wasserzeichen" für KI-Texte geben wird, ist ungewiss.

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Anders als Mama Kerstin betrachtet man im sächsischen Kultusministerium ChatGPT nicht als Bedrohung, sondern als Chance. Ein Ministeriumssprecher: "So kann ChatGPT sehr gut genutzt werden, um Schülerinnen und Schüler dazu zu bringen, die Ergebnisse, welche ChatGPT ausgibt, kritisch zu hinterfragen und zu bewerten. Schule darf kein geschlossener Lernkosmos sein und die Realitäten der Lebenswelt nicht einfach ausblenden."

Fragen an den Experten: Was müssen wir jetzt über KI wissen?

TU-Wissenschaftler Fred Hamker (55) kennt sich bestens mit künstlicher Intelligenz aus.
TU-Wissenschaftler Fred Hamker (55) kennt sich bestens mit künstlicher Intelligenz aus.  © Lili Hofmann/TU Chemnitz

TAG24 stellte fünf Fragen an den Wissenschaftler Fred Hamker (55). Er leitet die Professur für Künstliche Intelligenz an der TU Chemnitz.

TAG24: Was muss der Mensch im Umgang mit der KI jetzt Lernen?

Hamker: "ChatGPT zeigt, dass das Lernen von reinem Faktenwissen immer unwichtiger wird. Was früher eine ausführliche Recherche erforderte, lässt sich nun binnen kurzer Zeit abrufen. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass KI-Werkzeuge wie ChatGPT kein Wissen erzeugen, sondern lediglich vorhandenes Wissen verknüpfen und über Cues (Stichworte, Anm. d. Red.) abrufbar machen. Sowohl die ursprüngliche Quelle als auch der Abruf können fehlerhaft oder unausgewogen sein. Auch hinterfragt ChatGPT dieses Wissen nicht."

TAG24: Der Mensch kann das tun, zudem noch Hypothesen aufstellen, Originalquellen anschauen und Wissen weiterentwickeln ...

Hamker: "Richtig. Die KI ist noch lange nicht so weit. Insofern braucht es beim Menschen immer noch einen Mix aus Faktenwissen und der aktiven Verknüpfung dieses Wissens zum Lösen von Problemen. Wer die Ausgaben von ChatGPT nicht versteht, weil ihm das eigene Wissen fehlt, begibt sich auf das Niveau der Maschine und gibt nur anderes Wissen wieder."

Künstliche Intelligenz: Fluch oder Segen?

Bei der KI-gestützten Gesichtserkennung lokalisieren Algorithmen ein menschliches Gesicht auf einem Bild. Die Identifikation erfolgt dann durch die Analyse der Daten.
Bei der KI-gestützten Gesichtserkennung lokalisieren Algorithmen ein menschliches Gesicht auf einem Bild. Die Identifikation erfolgt dann durch die Analyse der Daten.  © IMAGO/Shotshop

TAG24: Ist KI ein Fluch oder ein Segen für die Menschheit?

Hamker: "Die KI ist weder gut noch böse, sondern der Mensch bzw. die Gesellschaft entscheidet über die Verwendung von KI. Grundsätzlich kann eine Gesellschaft allerdings entscheiden, ob sie eine KI bei sich zulässt oder nicht. Natürlich sind diese Entscheidungen nicht ganz losgelöst von dem aktuellen Wettbewerb von Wirtschaftssystemen."

TAG24: Ein gänzlicher Verzicht auf KI könnte also zu einem Standortnachteil führen?

Hamker: "Ja. Dennoch scheint es mir wichtig, dass diese Debatte in der Gesellschaft geführt wird und es gegebenenfalls dann auch zum Verbot bestimmter Verwendungen von KI führen könnte."

TAG24: Kann die KI ein Ersatz sein für die menschliche Arbeitskraft?

Hamker: "Generell können mehr und mehr durchaus anspruchsvolle Aufgaben durch Computer, Maschinen oder Roboter erledigt werden. Statt den Menschen aus der Arbeit zu verdrängen, könnten allerdings auch in Zukunft Menschen und Maschinen als Team produktiv zusammenarbeiten. An der TU Chemnitz zusammen mit der TU Ilmenau und der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg forschen wir daher aktuell an möglichen Arbeitsplätzen der Zukunft."

Titelfoto: 123RF/halfpoint

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