Faschismus-Game und Roadmovie-Comic: "Dustborn" überzeugt mit der Macht der Worte
Deutschland - John F. Kennedy hat seinen Anschlag überlebt (im Gegensatz zu seiner Frau Jacky O.), er hat Marilyn Monroe geheiratet und ein Robotergesetz auf den Weg gebracht, der die Menschheit auf völlig neue Wege brachte.
Am Dienstag erscheint mit dem entscheidungsbasierten Dystopie-Game "Dustborn" der erste Versuch der Entwicklerfirma "Quantic Dream", sich als Publisher zu präsentieren.
Was uns geliefert wird, würden DC-Leser als "Elseworld" oder SciFi-Fans als "Allohistory" bezeichnen – eine alternative Realität. Und ihre Auswirkungen.
Die Köpfe hinter Quantum Dream haben in der Vergangenheit mit starken Story-Videospielen wie "Heavy Rain", "Detroit: Become Human" oder "Beyond: Two Souls" Gamer und Kritiker überzeugen können. Entsprechend schauen die Fans nun auf Geschichte, Setting und mögliche Twists des Comic-Look-Spiels "Dustborn".
Das Stichwort "Comic" passt hier besonders, denn während wir spielen entsteht tatsächlich die Graphic Novel dazu. Am Ende jedes Kapitels können wir das erlebte als gezeichnetes Kunstwerk noch einmal durchblättern und sehen auch noch einmal unsere Entscheidungen.
Um welches Genre handelt es sich also? Tja, genau da liegt das Problem: Das Spiel ist ein permanenter Kategorienwechsel. Die Basis bildet jedoch ganz klar der interaktive Roadmovie.
Die Macht der Worte – im wahrsten Sinne
Anders als bei vergleichbaren Titeln (wie "Life Is Strange") müssen wir hier aber zwischendurch auch mal mit Baseballschlägern ein paar Roboter-Wellen die Schaltkreise neu justieren oder vor der Grenzpolizei eine kleine "Guitar Hero"-Session hinlegen.
Außerdem haben unsere Protagonisten gewisse Superkräfte, auch "Vox" genannt – was den Herrschenden so gar nicht ins Konzept passt. X-Men lässt grüßen. Die "Vox" werden übrigens durch das Aussprechen eingesetzt – die Macht der Worte als sinnbildliches Element.
Zwischen dem Kampf, nicht entdeckt (oder gefasst) zu werden, und dem Abarbeiten einzelner Task-Punkte werden auch immer wieder Gesprächsoptionen eingebaut, die unserer Hauptfigur Pax die Möglichkeit geben, die Mitstreiter und ihre Hintergrundgeschichte besser offenzulegen.
Und allesamt haben besondere Fähigkeiten, mit denen sie sich durch das alternative 2030 boxen können. Pax selbst kann ganz Jedi-like den Willen anderer beeinflussen.
Ihre Schwester Ziggy zerlegt sich im Zweifel selbst in ihre atomaren Bestandteile und die beste Freundin Sai unterstützt mit ihrer telekinetischen Power.
Trotz manch zäher Sequenzen: "Dustborn" ist besser als viele wohl erwarten
Eli, der das Quartett vervollständigt, kann seine Erzählungen Realität werden lassen. Doch tritt die als Punkband getarnte Gruppe alles andere als wie klassische Superhelden auf. Sondern sie versucht – so gut es geht – die übermenschlichen Fähigkeiten möglichst nicht einsetzen zu müssen.
Das klassische Fluch-Segen-Szenario also. Hinzu kommt, dass Pax anfängt, merkwürdige Visionen zu entwickeln – ob da ein weiterer persönlicher Evolutionssprung in ihr brütet?
Fazit: Das Spiel überzeugt vor allem durch die lebendigen Dialoge, die Geschichte – die und zwischen Rassismus und Identität pendeln lässt – und die Idee, zwischenmenschliche Entwicklungen Einfluss auf Story-Elemente nehmen zu lassen. Entscheidet also in den Dialogen weise.
Die Faschismus-Allegorie wird vor allem durch die "Anormals" und ihre "Vox" getragen. Das Gesamtwerk dürfte am Ende viele positiv überraschen, auch wenn man sich einzelne Dialog-Abschnitte etwas kürzer gewünscht hätte.
"Dustborn" unterhält einen für die gut 30 Euro mehr, als man ihm vielleicht zutraut und wird daher mit absolut stabilen 7/10 Baseballschlägern gewürdigt.
Titelfoto: Screenshot/Quantic Dream