Sebastian Einfalls-Reich! Was macht ein Comedian im Lockdown ohne Bühne?
Würzburg - Prallvolle Hallen, dicht gedrängtes Publikum, lautes Gelächter, Klatschen und Gesang: Comedy hat es in Coronavirus-Zeiten schwer. Sebastian Reich (38), eigentlich hauptberuflich Bauchredner und Comedian, wagte sich zurück in seinen Ausbildungsberuf.
März 2020: Lockdown. Konzerte und Shows werden abgesagt, Schulen schließen, Clubs und Läden werden dichtgemacht, Kontaktbeschränkungen.
Für viele Arbeitnehmer bedeutete dies, ihr Büro in den eigenen vier Wänden aufzuschlagen. Doch was machen die, die von vollen Sälen mit Menschen leben und auf der Bühne ein Witz nach dem anderen dem Publikum entgegenschmettern?
Sebastian Reich war plötzlich arbeitslos. "Von 100 auf null", erinnert sich der Comedian an diese Zeit. Gerade hatte der Bauchredner mit Puppe "Amanda" noch vor 1000 Zuschauern gespielt, nun sitzt er alleine in der Küche. "Fitnessstudio dicht, bin daheim, was mache ich denn jetzt?", fragte er sich und begann wieder mehr zu backen.
"Ich habe meinen erlernten Beruf wieder rausgekramt", sagt der Bäcker und Konditor. In Zeiten des Lockdowns wurde das Handwerk plötzlich für viele zum neuen Hobby und der Talk über fehlende Hefe, Gehzeiten und Bananenbrot gehörten schon fast zum guten Ton.
Wer etwas auf sich hielt, stellte seine Hefe selbst her und wusste, wo man noch ein Pfund Mehl bekam.
Auch Reich genoss die Zeit zum Backen, auch wenn er natürlich viel lieber auf der Bühne gestanden wäre, doch Aufgeben ist für ihn keine Option: "Man muss aus jeder Situation das Beste machen."
Puppe Amanda ist das "i-Tüpfelchen"
Dem Entertainer kam eine Idee und er und seine Handpuppe Amanda starteten online Live-Videos zum Mitbacken.
"Ich habe einhändig mit Amanda gebacken und das sorgte für den Comedy-Teil", erinnert sich Reich, und weil es so gut lief, wurde von nun an jeden Sonntagmorgen gebacken. "Amanda ist das i-Tüpfelchen auf dem Backen", erklärt er den Erfolg. Einige Tage zuvor stellte er die Zutatenliste online und die Fans kauften ein.
Wenn wir uns an den ersten Lockdown erinnern, kommen einem sicher die Bilder von leeren Supermärkten in den Kopf. Hefe, Mehl und Milch waren vielerorts Mangelware. Reichs Follower zeigten sich erfinderisch und fanden beispielsweise in Drogerien noch etwas Mehl. "Je nach Region waren verschiedene Sachen ausverkauft", erklärt Reich, der dann seine Rezepte mit anderen Mehlsorten anpasste.
Und manchmal kämpfte er mit den ein oder anderen Widrigkeiten des Lebens, denn "einmal kamen die Leute beim Backen des Osterkranzes nicht hinterher, oder mir fiel das Rührgerät aus der Hand und Amanda amüsierte sich köstlich", doch der Comedian machte immer das Beste daraus und wurde noch besser. Die Geschwindigkeit des Backens passte er an, kaufte sich eine professionelle Kamera, Beleuchtung und Mikro.
Die Leute dankten es ihm und schalteten wieder ein: "Ich hatte Zuschauer vom Gardasee bis Johannesburg."
Nach 20 Jahren Bühne in die Küche
Seit rund 20 Jahren steht Reich schon auf der Bühne und sorgt damit bei den Zuschauern für gute Laune. Das Backen begleitete ihn die ganze Zeit hindurch, allerdings eher als Hobby: "Wenn im Freundeskreis jemand heiratet, mache ich die Hochzeitstorte oder auch mit meiner Mutter die Weihnachtsbäckerei."
In Zeiten vor Corona war er an vielen Wochenenden auf der Bühne, unter der Woche fand er den Ausgleich im Teigkneten, -formen und -füllen: "Backen ist für mich totale Entspannung."
Obwohl er schon mit 18 auf der Bühne stand und Erfolge feierte, machte er die Ausbildung zum Bäcker und Konditor fertig. "Zur Beruhigung der Eltern, dass man was Anständiges gelernt hat", sagt der Comedian mit seiner gewohnt humorvollen Art. Ob er wohl damals schon wusste, dass sie ihm nochmals zugutekommen würde?
Seine besten Kuchen, Brötchen und Krapfen hat er nun in einem Buch zusammengefasst. Die Rezepte aus dem Backbuch stammen alle aus Reichs Leben: An das Windbeutel-Rezept erinnert er sich noch von seiner Gesellenprüfung, die Mandeltorte aus einem Mallorca-Urlaub und andere hat er selbst kreiert.
Übrigens: In einem Urlaub ist der erste Stopp für den Comedian nicht der Strand oder die sehenswerte Kirche - er stapft erst mal zum nächsten Bäcker. Dort erfuhr er auch schon das ein oder andere Rezept. Sein persönlicher Favorit ist übrigens der Käsekuchen, "weil er cremig ist und was ganz Feines".
Reich tourt übrigens, sobald er wieder darf, auch mit einer schwäbischen Elefantendame. Die Zuschauer dürfen sich also schon darauf freuen. Kaum erwarten kann es allerdings Reich selbst, der seine Bühne sehnlichst vermisst. "Das heißt aber nicht, dass die Rührschüssel dann komplett weggelegt wird", sagt Reich.
Wer jetzt Lust auf Backen bekommen hat: Das Buch "Backen mit Amanda: 60 neue herzhafte und süße Rezepte" ist im Riva-Verlag erschienen und für 20 Euro erhältlich.
Titelfoto: Sebastian Reich