Vorhang auf für Vorzeigeschwabe: Walter Schultheiß feiert 100. Geburtstag
Stuttgart - Walter Schultheiß konnte stets in alle Rollen schlüpfen. Er war der "König von Bärenbach", löste als Inspektor Köberle ("Köberle kommt") schlitzohrig auch kniffligste Fälle und spielte sich als eigenwillig-charmanter Weingutbesitzer Eugen Eisele ("Der Eugen") in mehr als 100 Folgen in die Herzen der Fernseh-Zuschauer.
Kurz vor seinem 90. Geburtstag mimte er noch den Firmen-Patriarchen Paul Bogenschütz, der im Kinofilm "Global Players" um sein Lebenswerk fürchtet, weil sein Textil-Unternehmen vom weltweiten Konkurrenzdruck platt gemacht wird.
Und auch beim Drehbuch zum Kinofilm "Laible und Frisch" (2017) konnte er trotz seines stolzen Alters nicht absagen.
Am Samstag (25.5.) schaut Schultheiß auf ein ganzes Jahrhundert seines Lebens zurück. Der Verwandlungskünstler vor der Kamera und auf der Bühne feiert seinen nächsten runden Geburtstag.
Wie der vielleicht schwäbischste aller bundesweit bekannten Mimen das all die Jahre und bis ins hohe Alter geschafft hat?
"Da muss man lange dran arbeiten. Das geht nicht von heute auf morgen", gab er Jüngeren schon an seinem 90. Geburtstag mit auf den Weg - auch damals mit dem für ihn so typischen Augenzwinkern.
Walter Schultheiß kann auf sein Lebenswerk zurückblicken
Zwar wurde der gebürtige Tübinger im ganzen Land durch seine Rollen in den Fernsehserien bekannt. Seine Karriere aber begann 1947 als Pedro del Vegas in der Operette "Maske in Blau", später trat er auch als Privatgelehrter, Sekretär, Portier und Schmuggler auf.
Allein im "Weißen Rössl" stand Schultheiß 360 Mal auf der Bühne. Auch im Schauspiel war er keineswegs nur in schwäbischen Volksstücken zu sehen. Seine Premiere auf der Leinwand feierte Schultheiß 1948 als Russlandheimkehrer Fritz Eder in "Heimat ist Arbeit".
Beliebt und bekannter wurde Schultheiß zunächst durch den Hörfunk. Zusammen mit Werner Veidt bildete Schultheißmehr als zwei Jahrzehnte lang das Straßenkehrer-Duo Karle und Gottlob ("Ich bin der Straßenkehrer Gottlob Friederich; ich kehr' für Arm und Reich, für Groß und Niederich").
Die Serie wurde schließlich zum Markenzeichen der samstäglichen SDR-Hörfunkreihe "Gäste im Großen Sendesaal".
Schwäbische Figuren waren das Ding von Walter Schultheiß
Später trug er als pietistischer Altpfarrer Merkle in der SDR-Serie "Oh Gott, Herr Pfarrer" zur Verbreitung eines Schwabenbildes bei, das sich in Ansätzen natürlich bereits seit seinen ersten Radiorollen durch die Karriere zieht.
Bundesweit wird Walter Schultheiß immer vor allem der Vermieter des Tatort-Kommissars Bienzle bleiben.
In seiner Heimat aber lieben sie ihn als verschmitzten und bescheidenen Ur-Schwaben, der stets bescheiden, pointensicher und auch ein bisschen kantig daherkommt, dem Understatement verhaftet wie es auch seiner Heimat nachgesagt wird.
"In jedem Sinne eine schwäbische Jahrhundertgestalt", nennt ihn Axel Preuß, Intendant der Stuttgarter Komödie im Marquardt, die jahrzehntelang so etwas wie Schultheiß' künstlerisches Wohnzimmer gewesen ist.
Schultheiß habe auch in Augenblicken größten Erfolges Werte wie Bescheidenheit, Bodenständigkeit, Fleiß und Menschlichkeit verkörpert, sagte Preuß der Deutschen Presse-Agentur.
Ähnlich sieht das Frieder Scheiffele, der die Bäckerei-Saga "Laible und Frisch" erfunden und produziert hat. "Unabhängig, ob Walter ernste oder humorvolle Rollen spielt – gerade seine schwäbischen Figuren begeistern mich", sagt der Geschäftsführer der Schwabenlandfilm GmbH. "Sie sind so glaubwürdig dargestellt, dass ich mich als Schwabe immer damit identifizieren kann."
Schultheiß habe ein feines Gespür für Pointen und Timing. "Und obwohl Walter einer der bekanntesten und dienstältesten, deutschen Schauspieler ist, zeichnet er sich durch Bescheidenheit, Verlässlichkeit, Professionalität und Loyalität aus."
Walter Schultheiß ein "Wortklauber"
Ein ähnliches Loblied stimmt der baden-württembergische Kunststaatssekretär Arne Braun (Grüne) an: Er bezeichnet Schultheiß als einen Volksschauspieler im besten Sinn des Wortes.
"Eine Ikone des schwäbischen Wortwitzes – und gleichzeitig ein hintergründiger Charakterdarsteller von allergrößtem Format", sagt Braun der dpa.
Und Schultheiß? Der hat sich anfangs zwar noch geärgert über den "Schwabenstempel", der ihm stets aufgedrückt worden sei.
"Aber man gewöhnt sich auch daran und lernt, damit zu leben und es zu nutzen." Außerdem habe es damals schon ausreichend Schauspieler gegeben. "Aber keiner von denen konnte schwäbisch", erinnerte er sich später.
Sein Publikum habe ihn halt auch ausschließlich in schwäbischen Rollen sehen wollen, sagte er seinerzeit.
So verfasste Schultheiß neben der Schauspielerei auch witzige Dialoge, Gedichte und Valentinaden, in denen der "Vorzeigeschwabe" meistens mit humorvollem und hintersinnigem Blick die schwäbische Seele seziert. Einen "Wortklauber" nannte ihn seine Frau Trudel Wulle, ebenfalls Schauspielerin. Mit ihr war Schultheiß mehr als 70 Jahre lang und bis zu ihrem Tod im Jahr 2021 verheiratet.
Seinen 100. Geburtstag wird Schultheiß in sehr kleinem Familienkreis in seinem Haus hoch oben über dem Nagoldtal feiern, erzählt sein Sohn Götz. Dort wohnt er mit dessen Familie und den Enkelkindern. Und sein Humor? Den hat er nach Angaben seines Sohnes auch im hohen Alter keineswegs verloren.
Titelfoto: Marijan Murat/dpa