"Haben Toten in Kauf genommen": Verletzter Bob-Anschieber klagt Bahn in Altenberg an
Bellikon (Schweiz) - Das ist harter Tobak: Der im Eiskanal von Altenberg schwer verletzte Bob-Anschieber Sandro Michel (27) äußert sich erstmals über das gesamte Ausmaß seiner Verletzungen. Außerdem erhebt er schwere Vorwürfe gegen die Bahn und den Weltverband IBSF.
Es gehe ihm den Umständen entsprechend gut, sagte Michel im Interview mit der Schweizer Nachrichtenagentur Keystone/SDA.
Für ihn sei das Wichtigste, dass die Ärzte ihm bestätigen konnten, dass er wieder ein normales Leben werde führen können.
Und das war bei Weitem nicht selbstverständlich!
Von schweren Verletzungen im Hüft-, Oberschenkel und Brustkorbbereich war nach dem Unfall, bei dem Michel bewusstlos aus dem Bob fiel und dann vom zurückrutschenden Schlitten überrollt wurde, die Rede.
Was das konkret bedeutete, machte der 27-Jährige jetzt klar: Er habe diverse Rippenbrüche und eine Lungenblutung gehabt, im Brustkorbbereich habe er deshalb immer noch sehr starke Schmerzen.
Am heftigsten war aber die Verletzung seiner Hüfte: "Auf der Seite bei den Hüften hat es mir diverse Haut- und Muskelfetzen abgerissen oder aufgerissen. Dann hat es mir die Hüfte ausgekugelt, also der Oberschenkelknochen ist sichtbar gewesen."
Im Hüftbereich ist Michel nach wie vor sehr eingeschränkt, sitzt noch im Rollstuhl. Noch ist nicht klar, ob die mit eigenem Knochen rekonstruierte Hüfte wieder vollständig durchblutet werden kann.
Er arbeitet aber jeden Tag fleißig an seiner Genesung - denn wenn es möglich ist, will er wieder in den Eiskanal zurückkehren: "Das ist mein großes Ziel."
Sandro Michel erhebt schwere Vorwürfe gegen Altenberger Bobbahn
Ob er auch in Altenberg wieder antreten würde, ist aber unklar. Denn gegen die sächsische Bahn erhebt der Anschieber schwere Vorwürfe: Seiner Meinung nach war der Unfall zu verhindern.
"Es wäre keine große Sache gewesen, irgendwelche Sicherheitskriterien einzuführen, dass das eben nicht passiert", sagte Michel. "In Altenberg weiß man: Das passiert schon seit X Jahren."
Das Risiko sei extrem hoch und er finde es schwach von der Bahn, dass sie es bisher noch nicht in Angriff genommen hätten, so der 27-Jährige: "Schlussendlich nimmt man einfach einen Toten in Kauf! Bei mir ist es ja relativ knapp gewesen."
Die Staatsanwaltschaft Dresden hingegen teilt Michels Einschätzung nicht, gab vor zehn Tagen bekannt, dass die Ermittlungen eingestellt worden seien.
Es komme zu keiner Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung, hieß es damals: "Zwar ist die Ursache für den Sturz bisher nicht abschließend geklärt. Von weiteren Ermittlungen war aber abzusehen, da jedenfalls nicht von einer strafrechtlich relevanten Handlung auszugehen ist. Zentrale Voraussetzung für den Vorwurf fahrlässigen Handelns ist, dass von einem Täter eine Sorgfaltspflicht verletzt wurde."
Dieser Vorwurf konnte den Betreibern des Altenberger Eiskanals jedoch nicht nachgewiesen werden.
Doch nicht nur mit der Bahn in Altenberg, auch mit dem Weltverband ISBF ist der Schweizer nicht glücklich. Nicht ein einziges Mal habe sich jemand bei ihm gemeldet oder gefragt, wie es ihm gehe: "Da muss ich auch sagen, da bin ich extrem enttäuscht."
Titelfoto: IMAGO / dmuk-media