Nach dramatischem Bob-Sturz vor Weltcup in Altenberg: Stimmt bei der Bahn das Sicherheitskonzept?
Altenberg - Der tragische Trainings-Unfall des Schweizer Vierer-Bobs von Michael Vogt (26) und seinem schwer verletzten Anschieber Sandro Michel (27, Brust-, Becken- und Oberschenkelbereich) vorm Weltcup in Altenberg schlägt noch immer hohe Wellen.
Die Frage lautet: Konnte er verhindert werden? Dazu redeten der Weltverband IBSF und der Geschäftsführer der Bahn am Donnerstag Klartext.
"Es ist tragisch, dass so ein Unfall passieren muss, um die Diskussion um die Sicherheit neu anzufachen", meinte Bahn-Chef Jens Morgenstern (58).
"Altenberg ist aber nicht der Buhmann. Stürze passieren überall." Richtig! Aber stimmte das Sicherheitskonzept? Immerhin wurde der Anschieber verletzt, weil er aus dem Schlitten fiel, der Bob durch den Sturz den Zielhang nicht mehr hochkam und zurückrutschte. Dabei überfuhr das 630 Kilo schwere Gerät Michel und verletzte ihn lebensgefährlich.
"Die Bahnen werden alle fünf Jahren von unseren Spezialisten abgenommen und das Grundkonzept besprochen", so Jos Mattli (67), Weltcup-Koordinator der IBSF.
"Das Grundkonzept ist hier, die Schlitten auspendeln zu lassen. Es ist bisher glücklicherweise nichts passiert. Unglücklicherweise war der Athlet wahrscheinlich bewusstlos." Dadurch fiel Michel wohl aus dem Schlitten. Im Normalfall - so war's jahrelang in Altenberg - bleibt die Crew im Gerät.
Muss die technische Entwicklung der Bobs überdacht werden, um für mehr Sicherheit zu sorgen?
Mattli verspricht, dass der Unfall genau analysiert wird, um die Sicherheit für die Sportler zu verbessern.
Stürze passieren aus seiner Sicht leider überall auf der Welt und jeder sei einer zu viel. Bei Bahnen wie Sigulda (Lettand) und Whistler (Kanada) werden Bobs teilweise mit Fanghaken vorm Zurückrutschen gesichert. Eine Lösung für Altenberg?
"Ich bin kein Freund von jeglichem Aktionismus", so Morgenstern. Er schaut, was beim Thema Sicherheit optimiert werden kann. Es wird auch getestet, ob Mitarbeiter mit Fanghaken helfen können. Er gibt aber zu bedenken: "Der Vierer wiegt 630 Kilo, den muss man erst mal halten. Und wo ist der Punkt zum Einhaken? Es gibt keine 100-prozentige Sicherheit." Das räumt auch der IBSF-Verantwortliche ein.
Für Morgenstern sei dies ohnehin eine Folge eines ganz anderen Problems des Sports. Seit dem Bau der Bahn fahren die Schlitten die gut 1400 Meter sieben Sekunden schneller runter. Deshalb fordert der Bahn-Chef mehr Sicherheit. "Die Ausbildung der Piloten zu verbessern und eine Änderung des Reglements", so der 58-Jährige.
"Warum müssen die Kufen immer breiter werden? Sind sie schmaler, lassen sich die Schlitten besser lenken. Warum wird nicht etwas an der Hauben-Aerodynamik gemacht? So würden die Bobs nicht immer schneller." Die Attraktivität des Sports ändert sich nicht, wenn die Piloten 130 statt 140 km/h fahren. Man könne ja nicht alle Bahnen umbauen.
Altenberg bekommt Lob für perfekte Rettungskette vom Schweizer- und dem Weltverband
Lob bekam Morgenstern für die perfekte Rettungskette vom Schweizer- und dem Weltverband. Ihm war wichtig, dass "wir alles in unser Macht Stehende getan haben".
Der deutsche Co-Bundestrainer Gerd Leopold (68) konnte auch Entwarnung bei Johannes Lochner (33) für den WM-Start in der kommenden Woche in Winterberg geben. Der Pilot aus Berchtesgaden war auch im unteren Bahnteil gestürzt und klagte über Halsprobleme.
"Hansis Halswirbelsäule wurde geprüft", so der Trainer. "Es hat sich nicht als so dramatisch herausgestellt. Er hat von den Ärzten grünes Licht und wird die WM fahren." Der Nacken seit zwar noch etwas steif, aber das versucht ein Physiotherapeut zu beheben.
Titelfoto: Bildmontage: Lutz Hentschel