Personelle Konsequenzen im Turnskandal: Verband soll zwei Trainer gekündigt haben
Stuttgart - Die Wogen im deutschen Turnskandal sind noch lange nicht geglättet, doch am Kunstturnforum in Bad Cannstatt, dem Zentrum der Kritik, soll es nun personelle Konsequenzen gegeben haben. Den beiden zuvor freigestellten Trainern soll laut Stuttgarter Zeitung die mündliche Kündigung ausgesprochen worden sein, sie sollen nicht an ihren Arbeitsort zurückkehren.
Das bestätigte Matthias Ranke (60), Vize-Präsident Geschäftsführung des Schwäbischen Turnerbundes, der die Trainer am Kunstturnforum Stuttgart beschäftigt, dem SWR. "Es ist aber so, dass wir sicherlich an dieser Stelle solche Maßnahmen getroffen haben, dass betroffene Trainer in der Form nicht mehr bei uns tätig sein werden", erklärte er in einem Interview.
Was genau die Aussage, dass die Trainer "in der Form nicht mehr bei uns tätig sein werden" bedeutet, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Die Kündigungen sollen vorerst mündlich ausgesprochen worden sein, schriftlich liegen sie offenbar noch nicht vor. Namen wollte der Funktionär nicht nennen.
Es ist von direkten Konsequenzen für die hoffnungsvollste deutsche Turnerin Helen Kevric (16) die Rede, das deckt sich mit TAG24-Informationen, nach denen es sich um ihre beiden Trainer handeln soll. Kevric wurde bis zum Aufkommen der Vorwürfe der körperlichen und mentalen Gewalt laut der Homepage des Deutschen Turner-Bundes von Bundesstützpunkttrainerin Marie-Luise Mai (55) und dem italienischen Stützpunkttrainer Giacomo Camiciotti betreut.
Kevric hatte bei den Olympischen Sommerspielen in Paris mit dem achten Platz im Mehrkampf und dem sechsten Rang am Stufenbarren sensationelle Ergebnisse erreicht.
Zuvor hatte sie bei den deutschen Meisterschaften Gold im Mehrkampf und am Boden sowie Silber am Barren und am Balken geholt. Anschließend gewann sie auch die Qualifikation für den deutschen Quotenplatz bei Olympia und stach damit Deutschlands erfolgreichste Turnerin Elisabeth Seitz (31) aus.
Ehemalige Bundestrainerin Ulla Koch lässt ihr Amt als Vizepräsidentin des DTB ruhen
Sowohl Seitz als auch Tabea Alt (25), die die Vorwurfswelle mit einem Instagram-Post Ende Dezember ins Rollen gebracht hatte, wurden in der Vergangenheit von der freigestellten Trainerin betreut. Namentlich wurden sie und Camiciotti in den Vorwürfen aber nie benannt.
Kevric hat sich zu den Vorwürfen gar nicht geäußert, Seitz mehrfach. Ihr aktueller Coach ist laut DTB-Homepage Robert Mai, der Mann von Marie-Luise Mai.
Bei der Vergabe der Trainerpreise des Landessportbundes Baden-Württemberg am Dienstag im Porsche-Museum in Stuttgart sagte sie laut Stuttgarter Zeitung: "Besonders wichtig ist es, dass Trainer und Athletin auf Augenhöhe kommunizieren."
Sie selbst könne das mit ihrem Coach, "ich kann mit ihm über alles sprechen", sagte sie.
Weitere personelle Konsequenzen hat es gegeben, indem die ehemalige Bundestrainerin Ulla Koch (69), gegen die vor allem Ex-Turnerin Janine Berger (28) schwere Vorwürfe erhoben hatte, ihr Amt als Vizepräsidentin des Deutschen Turner-Bundes ruhen lässt. Ihr Mann Dieter (70) soll sein Amt als Nachwuchsförderer im Rheinischen Turnerbund aktuell ebenfalls ruhen lassen.
Beide waren zuletzt gemeinsam als Nationaltrainer Belgiens tätig, Ulla in dieser Funktion auch als Betreuerin bei den Olympischen Sommerspielen vor Ort.
Der DTB hat mittlerweile eine Anwaltskanzlei aus Frankfurt am Main mit der Aufarbeitung der Vorwürfe beauftragt, doch von den Betroffenen gab es bereits Kritik, die Kanzlei sei voreingenommen und bei der Aufarbeitung der Vorwürfe von Pauline Schäfer-Betz vor fünf Jahren in Chemnitz wenig behutsam vorgegangen.
Die Zeit wird zeigen müssen, wie gründlich der DTB aufarbeitet und wie intensiv ein Strukturwandel tatsächlich vollzogen wird.
Titelfoto: Bildmontage: IMAGO / Pressefoto Baumann, IMAGO / Schreyer