Mannheim/Stuttgart - Fast einen ganzen Monat hat Deutschlands beste Turnerin Elisabeth Seitz (31) zu den Missbrauchs-Vorwürfen in ihrem Sport, zumindest inhaltlich, geschwiegen. Das ist seit Sonntag vorbei, denn da äußerte die 25-fache Deutsche Meisterin ebenfalls Vorwürfe.
Sie greift dabei den Deutschen Turner-Bund heftig an: "Zuletzt war ich vor wenigen Wochen im Gespräch mit dem DTB und habe noch einmal alles auf den Tisch gelegt, also, sie haben alles, und deswegen sollte das jetzt bearbeitet werden, endlich", sagt sie in einem Beitrag des SWR.
Im Detail richten sich ihre Vorwürfe aber nicht gegen das Kunstturnforum Stuttgart, wohin sie 2014 wechselte, sondern das Leistungszentrum in Mannheim. Dort trainierte sie von 2006 an bei der jetzigen Nachwuchs-Bundestrainerin Claudia Schunk (52).
"Ich hatte des Öfteren betont, dass ich wirklich keine Kraft mehr habe und nicht mehr kann. Ich sollte erneut an den Barren gehen, eine Übung turnen und bin beim Jägersalto mit dem Gesicht auf den Holm geknallt. Dabei habe ich mir meine Lippe durchgebissen, mein Zahn war beschädigt, und dann sollte ich mir das abwischen und meine Mutter anrufen, damit sie mich abholt", berichtet Seitz eine Erinnerung aus dem Training bei Schunk.
"Wir haben ein bisschen weg gewohnt, meine Mutter brauchte 40 Minuten und in der Zwischenzeit musste ich noch Krafttraining machen, mich dehnen. So wurde grundsätzlich mit uns umgegangen. Den Satz, den ich eigentlich immer gehört habe, ist: 'Hör auf, Dich selbst zu bemitleiden'", sagt Seitz.
Schunk und Bundestrainer Gerben Wiersma (47) wurden im Januar nach Stuttgart geschickt, weil dort nach der Vorwurfswelle zwei Trainer suspendiert worden waren, die mittlerweile die Kündigung erhalten haben sollen.
Turnerin Janine Berger wirft dem DTB Heuchelei vor
Dabei soll es sich um Marie-Luise Mai (55) und Giacomo Camiciotti handeln. Bei Mai trainierte Seitz nach ihrem Wechsel nach Stuttgart. Mittlerweile wird sie von deren Mann Robert betreut.
Schunk äußerte sich zu den Vorwürfen gegenüber dem SWR: "Die Gesundheit der Turnerinnen muss immer an erster Stelle stehen, bezogen auf sämtliche Trainingsumstände." Und "dass es nie meine Absicht war, die Turnerinnen zu belasten und dass, sollte meine Verhaltensweise gleichwohl so wahrgenommen worden sein, mir dies leidtut."
Für Turnerin Janine Berger (28), die bereits selbst schwere Vorwürfe gegen den DTB und die ehemalige Bundestrainerin Ulla Koch (69) erhoben hatte, agiert der Verband mehr als enttäuschend.
"Ich sage ganz ehrlich, das ist einfach nur noch erbärmlich und heuchlerisch, und in meinen Augen wollen die jetzt ganz klar ihren Arsch retten und jetzt nicht transparent aufarbeiten", so die ehemalige Leistungssportlerin.
Seitz hofft dennoch, dass sich jetzt etwas tut. "Die Leute, die nicht richtig sind, in diesem Verband oder in diesem Sport, die müssen gehen. Und erst, wenn das passiert ist, haben wir die Chance, wirklich etwas zu verändern", macht sie klar.