Missbrauchs-Skandal erschüttert Tennis-Welt: Beschuldigter tritt zurück
Hamburg/Bad Homburg - Zunächst gab sich der Deutsche Tennis-Bund zurückhaltend, nun hat der Verband seinen Vizepräsidenten Dirk Hordorff (66) nach schweren Missbrauchsvorwürfen zum Rücktritt aufgefordert. Diesem ist der DTB-Funktionär nun am Mittwoch nachgekommen.
Vergangene Woche sorgten die erschütternden Recherchen von Sportschau, NDR und Süddeutscher Zeitung im deutschen Tennis-Zirkus für ein unschönes Beben.
In einem Interview packte der ehemalige Profi-Spieler Maximilian Abel (41) über sexualisierte Gewalt aus, die sein ehemaliger Trainer Hordorff jahrelang an ihm verübt haben soll.
Der gebürtige Frankfurter Abel kam in frühen Tennis-Tagen mit dem 66-Jährigen in Berührung, als er durch gute Leistungen beim Hessischen Tennis-Verband trainierte.
Bereits Mitte der Neunziger soll es begonnen haben, dass Hordorff Abels "Muskeln befühlen" wollte. Später habe er ihm in seine Wohnung folgen müssen und sei dort gezwungen worden, nackt Liegestütze vor dem Coach durchzuführen. Zudem sei er von dem damals viel älteren Mann massiert worden.
Den Gipfel der Anschuldigungen stellt aber ein Vorfall am Rande des ATP-Turniers 2003 am Hamburger Rothenbaum dar, bei dem Abel auf dem Hotelbett hätte nackt in Hündchenstellung gehen müssen. Anschließend habe Hordorff 20 Mal mit einem Gürtel auf seinem Gesäß "durchgezogen".
Als Maximilian Abel nach hinten geblickt habe, meint er, eine Erektion bei seinem Trainer gesehen zu haben. "Ich war geschockt, habe mich gefühlt wie Scheiße", schildert der heute 41-Jährige der Sportschau die abscheuliche Szene im Nachhinein.
Ex-Profi Maximilian Abel erhebt schwere Missbrauchs-Vorwürfe gegen Dirk Hordorff
Manche zweifeln an der Glaubwürdigkeit Abels, da er aktuell wegen Kreditkartenbetrugs im Gefängnis sitzt und in den 2000er-Jahren auch bei einigen Turnieren in Deutschland die "Zeche" in Hotels geprellt sowie Menschen um ihr Geld gebracht hat.
Im Zusammenspiel damit, dass Hordorff über seinen Anwalt alle Vorwürfe von sich weist, beließ es der Deutsche Tennis-Bund zunächst dabei, zu erwähnen, dass bei Ermittlungen die Schuld des Funktionärs nicht eindeutig hätte nachgewiesen werden können.
Doch Ende vergangener Woche nahmen die Ereignisse eine neue Dynamik an, als sich weitere Betroffene beim Verband meldeten.
Bis Mittwoch hatte der 66-Jährige nun Zeit, von seinem Vizepräsidenten-Amt zurückzutreten. "Das Präsidium des DTB hatte Dirk Hordorff unmittelbar nach Bekanntwerden der Untersuchungsergebnisse aufgefordert, sein Amt ruhen zu lassen. Es ist nochmals zu betonen, dass sich die Vorwürfe gegen seine Tätigkeit als privater Trainer richten, die in keinem Zusammenhang mit der Ausübung seiner Funktion im DTB stehen. Der Aufforderung zum Rücktritt ist er nicht nachgekommen", schreibt der Verband in seinem Statement.
Deutscher Tennis-Bund fordert Dirk Hordorff zum Rücktritt auf, doch bislang ist nichts passiert
Nun habe auch ein Vermittler, ein sogenannter Ombudsmann, sowie ein Sprecher des Bundesausschusses ihn zum Rücktritt bis diesen Mittwoch aufgefordert.
Bereits vor einem Jahr wandte sich Abel eigenen Angaben zufolge mit seinen Vorwürfen in einem Brief an den DTB-Präsidenten Dietloff von Arnim (63).
Hordorff ist vor allem als Trainer von Ex-Profi Rainer Schüttler (45) sowie des serbischen Weltklasse-Spielers Janko Tipsarevic (38) bekannt. Der 66-Jährige betreute vor allem Schüttler jahrelang, saß in seinem besten Jahr 2003, als der Deutsche das Finale der Australian Open und jeweils das Achtelfinale bei den French und US Open erreichte, in seiner Box.
Ausgerechnet in dem Jahr, in dem es im Mai in Hamburg zu dem widerlichen Vorfall mit Abel gekommen sein soll. Damals schied Schüttler im Achtelfinale gegen David Nalbandian (41) aus.
Dirk Hordorff gilt als der mächtigste Mann im deutschen Tennis
Aktuell ist Schüttler selbst Trainer und betreut als Chef das Billie-Jean-King-Team der Frauen. Bislang hat er sich zu den Vorwürfen rund um seinen Ex-Trainer nicht geäußert.
Der DTB hat Hordorffs Bild von der Seite der Übersicht über das Präsidium entfernt. Hinter seinem Namen steht in Klammern geschrieben: "Lässt sein Amt aktuell ruhen und wird von Dietloff von Arnim sowie von Helmut Schmidbauer vertreten".
Offiziell leitete der 66-Jährige das Ressort Jugend- und Spitzensport, Ausbildung und Training. Doch in der Szene gilt Hordorff als der mächtigste Mann im deutschen Tennis, er ist DER Strippenzieher im Hintergrund, der an jeglichen sportlichen wie politischen Entscheidungen beteiligt war.
So saß er mit am Tisch, wenn es um die Einteilung der Bundes- und Olympiakader, der Nominierungen für die Auswahlmannschaften, die Besetzungen von Trainerposten im Verband und um Verträge mit Partnern des DTB ging. Auch im Hessischen Tennis-Verband hat er nach wie vor großen Einfluss.
Wäre Hordorff bis Mittwoch der Aufforderung zum Rücktritt nicht nachkommen, hätte der DTB ein Abberufungsverfahren zur nächsten Mitgliederversammlung eingeleitet. Doch der Beschuldigte kam dem zuvor.
Missbrauchs-Beschuldigter DTB-Funktionär Hordoff legt Amt nieder
Der 66-Jährige gab am Mittwoch in einer Stellungnahme bekannt: "Mein Amt als Vizepräsident des Deutschen Tennisbundes habe ich heute niedergelegt. Ich möchte dadurch auch Schaden für den DTB vermeiden" und führte weiter aus "Ich werde meine Kraft nunmehr voll und ganz auf die Widerlegung der unwahren Vorwürfe konzentrieren. Das in den Medien kolportierte, gegen mich gerichtete Verfahren wurde am 28. März 2023 von der Staatsanwaltschaft Frankfurt nach § 170 Absatz 2 StPO eingestellt."
Erstmeldung vom 28. März 2023 um 11.56 Uhr, aktualisiert am 29. März 2023 im 15.02 Uhr.
Titelfoto: IMAGO / Lackovic