Selbst nach Missbrauchs-Vorwürfen verurteilt: Zweifel an Bundestrainer-Maßnahme im Turnskandal

Stuttgart - Er soll jetzt in einer ganz akuten Situation helfen, Gemüter beruhigen, auf Turnerinnen, die laut Vorwürfen körperlich und seelisch missbraucht wurden, eingehen. Doch dass ausgerechnet der aktuelle deutsche Turn-Bundestrainer Gerben Wiersma (47) nun nach Stuttgart entsandt wird, sorgt in der Szene für den nächsten Aufruhr.

Gerben Wiersma (47) soll jetzt in Stuttgart helfen, doch bereits seit seinem Amtsantritt 2022 ist der Niederländer umstritten.
Gerben Wiersma (47) soll jetzt in Stuttgart helfen, doch bereits seit seinem Amtsantritt 2022 ist der Niederländer umstritten.  © IMAGO / Schreyer

Der Niederländer ist seit seinem Amtsantritt im Februar 2022 umstritten. Denn im Oktober 2021 wurde er nach Missbrauchsvorwürfen in seinem Heimatland vom niederländischen Sportgerichtshof schuldig gesprochen.

2020 hatten zahlreiche niederländische Turnerinnen ihren Trainern körperliche und psychische Misshandlung vorgeworfen (in den Jahren vor 2011), auch das Ignorieren von Verletzungen. Auslöser soll damals die Netflix-Dokumentation "Athlete A" über den sexuellen und emotionalen Missbauch im US-amerikanischen Turnen gewesen sein.

Von 25 Trainern in den Niederlanden war Wiersma der einzige, der verurteilt wurde, aber straffrei blieb, da er zuvor von selbst zurückgetreten war.

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Damals sagte der 47-Jährige, dass die Vorwürfe lang zurückliegen würden und er im Anschluss einer der Initiatoren eines kulturellen Wandels im Turnen gewesen sei.

Wiersma soll ab 7. Januar Einheiten am Kunst-Turn-Forum Stuttgart übernehmen. Auch, weil es dort nach Informationen der Stuttgarter Zeitung erste personelle Konsequenzen gab und zwei Übungsleiter vorläufig bis 19. Januar freigestellt wurden.

Zweifel an der Maßnahme des DTB, Bundestrainer Gerben Wiersma nach Stuttgart zu schicken

Wiersmas Vorgängerin Ulla Koch (69, vorn) betreut jetzt die Belgierinnen. Gegen sie hatte Janine Berger schwere Vorwürfe erhoben.
Wiersmas Vorgängerin Ulla Koch (69, vorn) betreut jetzt die Belgierinnen. Gegen sie hatte Janine Berger schwere Vorwürfe erhoben.  © IMAGO / Schreyer

Es soll sich um zwei Spitzentrainer handeln. Auch deshalb sollen Wiersma und Nachwuchsbundestrainerin Claudia Schunk (52) Einheiten übernehmen.

Auf einen Instagram-Beitrag des SWR kommentierte ein User: "Man wirft Trainer raus, die Turnerinnen missbrauchen und holt dann einen Trainer, der in Holland schuldig gesprochen wurde? Euer Ernst DTB? Das zeigt doch, dass ihr nichts verstanden habt. Wie kann sowas sein?"

Nicht nur Außenstehende, sondern auch eine der Athletinnen aus Deutschland, die ihre Stimme erhoben hatte, hegt offenbar Zweifel daran. Janine Berger (28) teilte in ihrer Instagram-Story einen Screenshot des Kommentars und setzte ein dickes Ausrufezeichen dahinter.

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Erst im Oktober wurde der Vertrag von Wiersma verlängert. Der sagte damals in einem offiziellen Statement, dass "wir gemeinsam konsequent unser Prinzip weiterverfolgen, mit mündigen und glücklichen Athletinnen bei den entscheidenden Events Medaillenchancen zu kreieren."

Nur zwei Monate später rollte die Lawine der Vorwürfe auf den DTB zu, der sich noch am Silvestertag eingestand: "Wir werden auch hier kritisch prüfen, inwiefern durch den Kultur- und Strukturwandel und weitere Initiativen die richtigen positiven Entwicklungen bereits angestoßen wurden oder ob es auch hier grundsätzlicher Nachbesserungen bedarf", hieß es in einer Mitteilung.

Der DTB hatte nach den Vorwürfen eine intensive und lückenlose Aufarbeitung der Vorwürfe angekündigt.

Titelfoto: IMAGO / Schreyer

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