Motordoping im Radsport: Sind die Untersuchungen der Räder ein Witz?
Aigle (Schweiz) - "Es ist unmöglich, mechanisch zu dopen, ohne erwischt zu werden", lautete ein offizielles Statement des Welt-Radsportverbandes UCI. Doch es gibt Probleme und riesige Lücken bei den Tests.
Seit die technischen Möglichkeiten immer weiter ausreiften und die Radprofis gleichzeitig auch immer schneller wurden, wuchs auch der Verdacht des sogenannten Motordopings.
Bisher wurde noch kein Radprofi der WorldTour, also den besten Radfahrern der Welt, überführt, aber einige wurden bereits verdächtigt, einen kleinen elektrischen Motor im Rad versteckt zu haben.
Zum Beispiel warf Phil Gaimon (37), ein ehemaliger US-amerikanischer Radprofi, dem Schweizer Ex-Radstar Fabian Cancellara (42) Motordoping vor, der das aber stets abstritt. Beweise gab es nie.
Auch Lance Armstrong (52), dem aus anderen bekannten Gründen alle sieben Tour-de-France-Siege aberkannt wurden, soll vor seinen Antritten seltsame Handbewegungen gemacht haben. Hatte er einen Motor aktiviert? Handfeste Beweise gab es nie.
Außerhalb der Tour de France finden Tests sehr selten statt
Aber technisch möglich ist es trotzdem.
Deshalb will die UCI bei allen WorldTour-Rennen, also der Champions-League des Radsports, alle Räder testen. Tut es aber kaum.
Wie der RadioCycling-Podcast in einer großen Recherche herausgefunden hatte, weist die Testdokumentation teilweise riesige Lücken auf, auch bei den ganz großen Rennen.
Bei vier Etappen des diesjährigen Giro d'Italias fanden keine Tests statt. Inklusive zweier Zeitfahren.
Bei der vorletzten Etappe wurden hingegen alle Räder getestet. Allerdings haben nahezu alle Profis bei diesem Zeitfahren vor dem Schlussanstieg ihr Rad gewechselt - von einer Zeitfahrmaschine auf ein Bergfahrrad. Nur letzteres wurde getestet.
Die Tour de France gilt als das am besten getestete Rennen. Wenn man von den letzten zwei Etappen absieht: da fanden keinerlei Tests statt, genauso wie auf drei Etappen beim Klassiker Paris-Nizza und mindestens jeweils einer Etappe bei der diesjährigen Tour Down Under (Australien), UAE Tour (Vereinigte Arabische Emirate), Tirreno-Adriatico (Italien) und dem Critérium du Dauphiné (Frankreich) ebenfalls keine Tests stattfanden.
Bei der Volta a Catalunya (Spanien) fanden seit 2021 sogar überhaupt keine Tests statt. Genauso bei der Tour of Norway.
Auch gab es außerhalb der Tour de France kein ausgereiftes Tracking-System, mit dem sichergestellt werden konnte, dass die getesteten Räder tatsächlich die sind, mit denen die Profis auf der Strecke waren.
Viele Tests sind nutzlos
Getestet werden kann auf zwei verschiedene Arten und Weisen.
Es gibt eine billige und schnelle, aber ungenaue Methode und eine teure und langwierigere, dafür genaue Methode.
Die billige Methode untersucht das Rad der Profis mit einem iPad und angeschlossenem Metalldetektor nach Magnetfeldern. Wird ein Magnetfeld entdeckt, sieht die UCI eigentlich vor, dass das Rad komplett auseinander genommen werden muss.
Aber das ist so aufwendig und teuer, dass laut RadioCycling-Podcast darauf eher verzichtet wird. Denn es gibt Räder, die aus Konstruktionsgründen ein größeres Magnetfeld haben als andere, aber das alleine ist kein Beweis für Motordoping.
Letztlich bezeichnen Insider der Szene die iPad-Methode als ein nutzloses Gimmick.
Motordoping ist technisch möglich und wurde schon praktiziert
Die aufwendigere, aber genauere Methode geht mit der X-Ray-Maschine. Das ist im Prinzip ein riesiges Röntgengerät, mit dem das Fahrrad komplett durchleuchtet wird. Dies ist teuer und wird daher nur sehr sparsam eingesetzt.
Die UCI meldete offizielle Zahlen: "Insgesamt wurden 2023 4280 Kontrollen durchgeführt, bei denen für 3777 Kontrollen magnetische Tablets und für 503 Kontrollen Röntgentechnologie verwendet wurden. Alle Tests waren negativ", so der Verband laut road.cc.
Das klingt nicht schlecht. Aber wenn die iPad-Methode tatsächlich nutzlos ist, dann haben wir hier nicht über 4000 Tests, sondern nur knapp 500.
Das ist nicht viel bei weit über 100 Etappen beziehungsweise Eintagesrennen pro Jahr auf der höchsten Ebene, mit jeweils über 100 Startern (und bei vielen Rennen auch Starterinnen), die stets mindestens ein Ersatzrad dabei haben.
Trotzdem bleibt zu unterstreichen: Es gibt keinen einzigen Beweis, dass Radprofis auf der höchsten Ebene Motordoping eingesetzt haben.
Einen Abstrich muss man allerdings machen: 2016 wurde der belgischen Cyclocross-Fahrerin Femke Van den Driessche (27) ein versteckter Motor in ihrem Rad nachgewiesen.
Das ist die einzige jemals gesperrte Elitefahrerin aufgrund von mechanischem Doping. Sie ist nicht Teil der WorldTour gewesen, aber auch dank ihr fährt der Verdacht weiter mit. Ganz abgesehen vom "normalen" Doping.
Titelfoto: FRANCOIS LO PRESTI / AFP