ARD-Boykott! Radprofi Phil Bauhaus gibt keine Interviews mehr
Dax (Frankreich) - Die ARD bekommt bei der Tour de France vom Team des deutschen Sprint-Stars Phil Bauhaus (28), Bahrain Victorious, vorerst keine Interviews mehr. Der Grund ist eine Doku der ARD über die Doping-Vergangenheit des Teams.
Die ARD ist eng mit dem Radsport verwoben. Sie war sogar mal Sponsor des ehemaligen Teams von Jan Ullrich (49), Team Telekom, was im Nachhinein heftig kritisiert wurde - sogar von ARD-Verantwortlichen selbst.
Nicht nur, weil das Neutralitätsgebot damit verletzt war, sondern auch weil man sich dann erst recht dem Thema Doping verschloss. Man war blind und es gab letztlich sogar einen Interessenkonflikt, darüber zu berichten.
2008 trat die ARD nach etlichen Doping-Skandalen aus der Live-Berichterstattung der Tour de France zurück.
Zuvor zog sich auch die Deutsche Telekom aus dem Radsport zurück, nachdem sie mit dem Team Telekom beziehungsweise Team T-Mobile und Stars wie Jan Ullrich und Erik Zabel (52) mit den magentafarbenen Trikots mehr als 15 Jahre im Weltradsport präsent war.
Sowohl Ullrich als auch Zabel gestanden übrigens gedopt zu haben. Damit war die ARD indirekt Geldgeber für Sportbetrug.
Die ARD hat aus ihren Fehlern gelernt
Dann aber glätteten sich die Wogen, der Sport hat sich gewandelt, es wurde sauberer. Seit 2015 überträgt die ARD wieder die Tour de France - aber dieses Mal mit einer kritischen Distanz.
ARD-Journalist Hajo Seppelt (60), der den ARD-Ausstieg 2008 nicht nur begrüßte, sondern mit seiner investigativen Arbeit mit eingeleitet hatte, behält das Thema Doping noch immer sehr kritisch im Auge.
Die ARD-Doku "Der Verdacht auf Doping besteht weiterhin" zeigt warum.
Das Team Bahrain Victorious wurde bereits mehrfach während der Tour in den letzten Jahren von der französischen Polizei durchsucht.
Es wurden beispielsweise Kapseln gefunden, die laut Team lediglich "Nahrungsergänzungsmittel" seien. Alles sei ganz harmlos.
Aber dem Team eilt ein Ruf voraus. Der Manager des Teams, Milan Erzen (51), wurde vom berühmt-berüchtigten Blutdoping-Doktor Mark S. aus Erfurt schwer belastet.
Demnach habe der Slowene reges Interesse gezeigt, eine Maschine zur Blutaufbereitung zu erwerben.
Phil Bauhaus kritisierte auf Twitter ARD-Journalist Hajo Seppelt
Zudem fanden die größten Doping-Skandale der letzten Jahre außerhalb Russlands im Umfeld von Erzen statt: Kristjan Koren (36) und Borut Bozic (42) wurden 2019 im Rahmen der "Operation Aderlass" des Dopings überführt.
Beide stammen aus Slowenien. Beide fuhren für Bahrain Victorious.
Trotzdem gilt freilich die Unschuldsvermutung und es ist ein Stück weit nachvollziehbar, dass der deutsche Top-Sprinter Phil Bauhaus (28) genervt reagierte, dass er direkt vor der Tour auf Doping angesprochen wurde.
Ein Boykott ist aber eine heftige Reaktion.
Seppelt twitterte am Dienstag: "Ich erinnere mich gut an düstere Zeiten der Tour, als gut bezahlte Radprofis ähnlich reagierten, wenn Journalisten einfach nur ihren Job machten."
Phil Bauhaus antwortete noch vor dem Start der vierten Etappe der Tour direkt darauf.
"Ich finde den Bericht zum Zeitpunkt des Tour-Starts unglücklich. Als deutscher Radfahrer steht man 3 Wochen im Jahr im Fokus. Ich finde, dass schnell der Eindruck entstehen kann, dass alle bei Bahrain inklusive mir ja eh alle gedopt sind. Das finde ich schade", antwortete der Etappen-Zweite der dritten Etappe der diesjährigen Tour auf einen Tweet von Hajo Seppelt.
Ein Twitter-User gab dem Bocholter recht. "Niemand würde auf die Idee kommen vor dem Champions-League-Finale nochmal Pep Guardiolas (52) Dopingvergangenheit aufzuwärmen."
Hajo Seppelt und Phil Bauhaus wollen sich verständigen
Auf Twitter haben sich Bauhaus und Seppelt auf ein Telefonat verständigt. Ob Bahrain Victorious seinen ARD-Boykott aber aufhebt, ist damit aber nicht gesagt.
Hajo Seppelt wird auf jeden Fall weiter genau hingucken. Gründe dafür gibt es genug. Im letzten Jahrzehnt wurden mehr Dopingfälle im Radsport als in der Leichtathletik publik. Dabei wird in der Leichtathletik mehr getestet.
Zur Einordnung: Deutlich weniger als ein Prozent aller Dopingtests waren der ARD zufolge bei beiden Disziplinen positiv. Immer noch zu viel.
Titelfoto: Bildmontage: Carsten Koall/dpa, Anne-Christine POUJOULAT / AFP