Nächste Turnerin prangert schwere Missstände an: "In psychotherapeutischer Behandlung"
Von David Joram
Stuttgart - Am Bundesstützpunkt Stuttgart soll es zu Missbrauchsvorfällen gekommen sein. Erst wurden verstörende Vorwürfe der Turnerin Tabea Alt (24) bekannt. Nun packt die Turnerin Lara Hinsberger (20) aus.
"In Stuttgart wurde ich behandelt wie ein Gegenstand. Ich wurde benutzt und das so lange, bis ich körperlich und geistig so kaputt war, dass ich für die Trainer (und irgendwann auch für mich selbst) sämtlichen Wert verlor", schreibt die 20 Jahre alte Saarländerin in einem am Silvestertag veröffentlichten Instagram-Post.
"Seit der Zeit in Stuttgart bin ich in psychotherapeutischer Behandlung."
Teilweise habe sie damals auch verletzt trainiert, schildert Hinsberger: "Ich trainierte immer weiter, bis ich irgendwann eine Stressfraktur im Schienbein mit zusätzlichem Meniskusriss im linken Bein erlitt. Als meine Mutter mit dem (sich in Stuttgart befindenden) Arzt telefonierte, wurde ihr gesagt, dass ich nicht trainieren dürfe. Dabei wurde sich über den ärztlichen Rat hinweggesetzt. Ich trainierte knapp fünf Stunden täglich nur noch Barren."
Sorgen außenstehender Trainerinnen und Trainer seien ignoriert worden. Sie habe stattdessen immer weiter an Gewicht verloren. Bei den Deutschen Meisterschaften 2019 habe sie 37 Kilogramm gewogen bei 1,60 Meter Körpergröße.
"Geredet hatte darüber im deutschen Turnen wirklich jeder, eingeschritten, um mich zu schützen, ist aber leider niemand", schreibt Hinsberger. Kurz darauf seien bei der damals 14-Jährigen unter anderem Depressionen diagnostiziert worden.
Hinsberger: "Schlichtweg nicht akzeptabel"
Auch Hinsberger meint, dass es grundsätzliche Reformen im deutschen Turnen brauche. "Meine Erfahrungen waren in Stuttgart, wichtig ist aber, dass sich das ganze System ändert", schreibt sie. Sie wisse sicher, dass es auch an anderen Standorten zu "enormen Missständen" komme, über die hinweggesehen werde: "Das ist schlichtweg nicht akzeptabel."
Der Deutsche Turner-Bund (DTB) hatte bereits vor Hinsbergers Statement Aufklärung durch eine Untersuchung angekündigt. Zudem seien Sofortmaßnahmen initiiert worden. Dem DTB und dem Schwäbischen Turner-Bund (STB) lägen "konkrete Informationen zu möglichem Fehlverhalten vonseiten verantwortlicher Trainer am Bundesstützpunkt in Stuttgart vor", hatte der Verband mitgeteilt.
In einer weiteren Stellungnahme kündigte der DTB am Silvestertag eine selbstkritische Überprüfung der bisherigen Maßnahmen an.
Auch Hinsberger meint, dass es grundsätzliche Reformen im deutschen Turnen brauche. "Meine Erfahrungen waren in Stuttgart, wichtig ist aber, dass sich das ganze System ändert", schreibt sie. Sie wisse sicher, dass es auch an anderen Standorten zu "enormen Missständen" komme, über die hinweggesehen werde: "Das ist schlichtweg nicht akzeptabel."
Der Deutsche Turner-Bund (DTB) hatte bereits vor Hinsbergers Statement Aufklärung durch eine Untersuchung angekündigt.
Zudem seien Sofortmaßnahmen initiiert worden. Dem DTB und dem Schwäbischen Turner-Bund (STB) lägen "konkrete Informationen zu möglichem Fehlverhalten vonseiten verantwortlicher Trainer am Bundesstützpunkt in Stuttgart vor", hatte der Verband mitgeteilt.
In einer weiteren Stellungnahme kündigte der DTB am Silvestertag eine selbstkritische Überprüfung der bisherigen Maßnahmen an.
Mehrere Sportlerinnen machten auf Missstände aufmerksam
Am vorigen Wochenende hatten, angeführt von den ehemaligen Auswahl-Turnerinnen Tabea Alt und Michelle Timm, mehrere Sportlerinnen Missstände am Kunstturnforum Stuttgart öffentlich gemacht. Angeprangert wurden "systematischer körperlicher und mentaler Missbrauch" und katastrophale Umstände.
Als erste aktive Spitzen-Turnerin hatte zuletzt die deutsche Rekordmeisterin Elisabeth Seitz eine Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe gefordert.
Für die Zukunft müssten "Missstände behoben und die Menschen zur Verantwortung gezogen werden, die diese verursachen", hatte die Stuttgarterin bei Instagram geschrieben.
Titelfoto: Burghard Schreyer/Kolbert-Press/dpa