Dynamos Athletiktrainer Grahé spricht über Vorwürfe

Dresden - "Die sind doch alle nicht fit", war im Schlussdrittel der Saison immer häufiger zu lesen - von Fans und Medienvertretern. In Unterhaching am 37. Spieltag wirkte Dynamo Dresden in der zweiten Halbzeit k.o. Doch war dem auch so? TAG24 hat sich mit Athletik- und Fitness-Coach Matthias Grahé (55) getroffen, um dem auf den Grund zu gehen.

TAG24-Redakteur Jens Maßlich (39, l.) und Matthias Grahé (55, r.) beim Studium der Zahlen.
TAG24-Redakteur Jens Maßlich (39, l.) und Matthias Grahé (55, r.) beim Studium der Zahlen.  © Thomas Nahrendorf

TAG24: Herr Grahé, es gab Vorwürfe, die Spieler seien nicht fit. Stimmt das?

Matthias Grahé: "Die nackten Zahlen lassen nicht die Annahme zu, warum wir in der Rückrunde die Ergebnisse nicht erzielt haben. Dass die Spieler nicht fit waren, kann man so nicht sagen. Wir sind in der Rückrunde mehr gesprintet als in der Hinrunde, haben prozentual mehr Sprints über mindestens 21 km/h gemacht und eine Laufdistanz, die zur Hinrunde gleichgeblieben ist."

TAG24: Laut der Auswertung gab es 135 Sprints über 24 km/h, im Schnitt 4,7 Sprints über 21 km/h und 110 Kilometer Laufdistanz. Wo liegt man damit im ligaweiten Vergleich?

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Grahé: "Wenn es um reine Laufdistanzen geht, dann gehörst du ab 110 Kilometern in der 2. Bundesliga zum oberen Drittel. Die Zahlen entsprechen der Hinrunde – oder waren zum Teil sogar noch besser. Auch zwischen Heim- und Auswärtsspielen gibt es nur marginale Unterschiede."

Dynamo Dresdens Staff hat jeden kleinen Stein umgedreht

Seit fünf Jahren macht Matthias Grahé (55, h.) die Dynamo-Profis fit.
Seit fünf Jahren macht Matthias Grahé (55, h.) die Dynamo-Profis fit.  © Lutz Hentschel

TAG24: Gibt es weitere Punkte, die gegen die These von unfitten Spielern spricht?

Grahé: "Von den zehn Feldspielern, die gegen Duisburg auf dem Feld standen, haben acht mindestens 37 Spiele gemacht. Um eine fußballerische Fitness zu erreichen, muss ich gesund sein. Nur dann kann ich Leistung bringen. Die Daten und die wenigen Verletzungen zeigen, dass es kein Problem mit der Fitness gegeben hat. Es gab auch nur zwei muskuläre Verletzungen mit Stefan Drljaca und Tobias Kraulich in dieser Saison. Beide waren aber mit Gegnereinwirkung. Wenn eine Mannschaft nicht fit wäre, würden viel mehr muskuläre Blessuren auftreten."

TAG24: Hat man sich trotzdem hinterfragt?

Grahé: "Natürlich haben wir versucht, das aufzuarbeiten. Das ging an mir und uns allen nicht spurlos vorbei. Ich mache mir da immer viele Gedanken. Das haben wir übrigens bereits nach der Hinrunde, als wir die 40 Punkte geholt hatten. Wir haben uns da nicht beweihräuchert, sondern mit Markus Anfang alles kritisch hinterfragt. Die Frage war immer: Was sind Bausteine, um die Konstanz aus der Hinserie mit in die zweite Halbserie mitzunehmen? Wir hatten ein gutes Trainingslager. Nichts hat darauf hingedeutet, dass wir so eine Rückrunde spielen."

TAG24: Auch in den vergangenen Monaten?

Grahé: "Wir haben uns in der Zeit im athletischen Bereich alle Werte angesehen, haben die einzelnen Spiele analysiert, haben uns den physiotherapeutischen Bereich vorgenommen und alles hinterfragt. Von der Ernährung bis hin zu den Regenerationsmöglichkeiten und Reisebedingungen. Von Vereinsseite ist alles auf den Prüfstand gekommen, um den Jungs ein hochprofessionelles Umfeld zu schaffen. Wir haben im und mit dem Staff jeden Stein umgedreht, weil natürlich auch wir unbedingt aufsteigen wollten. Jede noch so kleine Möglichkeit wurde in Betracht gezogen und hinterfragt. Es gibt rein von der Physis her gesehen keine logische Erklärung, warum die Rückrunde so lief, wie sie lief."

Dynamo Dresdens Profis blieben größtenteils ohne Muskelverletzungen

Tobias Kraulich (25, r.) war nur einer von zwei Spielern mit einer Muskelverletzung.
Tobias Kraulich (25, r.) war nur einer von zwei Spielern mit einer Muskelverletzung.  © Lutz Hentschel

TAG24: Haben Sie dann eine Erklärung, warum dieser Eindruck trotzdem entstand?

Grahé: "Es gibt die physische Fitness, gleichzeitig gibt es aber auch eine mentale Ebene. Beides zusammen in Kombination spielt eine wichtige Rolle. Ich glaube, dass so, wie die Niederlagen zustande gekommen sind, bei den Jungs es im Kopf irgendwann mal angefangen hat zu rattern. Die mentale Belastung hat den Jungs dann irgendwann zu sehr zu schaffen gemacht."

TAG24: Gibt es weitere Faktoren?

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Grahé: "Unabhängig davon macht es auch etwas mit der Mannschaft, wenn ein Spieler über viele Wochen bedroht wird. Das sind viele Komponenten, die dazu führen, dass wir an dieses Leistungsniveau nicht mehr herangekommen sind. Die Zahlen sprechen dennoch eine andere Sprache."

TAG24: Zumal man gegen Aue auch noch über 120 Minuten gehen musste ...

Grahé: "Das letzte Spiel gegen Aue hat gezeigt, wozu wir in der Lage sind, wenn der Kopf ausgeschalten wird. Als neutraler Beobachter auf der Tribüne hat man gesehen, welche Mannschaft stehend k.o. war und welche Mannschaft in der Verlängerung noch zulegen konnte."

Titelfoto: Lutz Hentschel

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