Dynamo Dresden: "Popstar" Stübner und (s)ein Leben in zwei Teilen
Dresden - "So könnte am Ende sogar der Eindruck entstehen, als hätte alles genau so kommen sollen", schreibt Autor Uwe Karte im Nachwort seines Buches "Stübner - Popstar wider Willen".
Mehr als 400 Seiten über und mit Dynamos Fußball-Idol, dessen Leben am 24. Juni dieses Jahres im Alter von 53 Jahren plötzlich endete (TAG24 berichtete).
"Das Leben hält sich an keinen Plan", schreibt er weiter. Für viele ein passender Satz zu Jörg Stübner, der und das sagt er oft in diesem Werk, einfach kein Versager sein wollte.
"Sag' mal, glaubt ihr, ich lebe in der Gosse?", fragte Stübner einmal bei den unzähligen Treffen mit Karte. Ihm ging es nach der Wende nicht gut. Aber Gosse? Nein! Das war dem Fußballer zu viel.
Er kam schon vor seinem Ende bei Dynamo 1993 nicht mehr auf die Beine. Hat viele Fehler gemacht, ist oft vor neuen Aufgaben davongelaufen, hat viele vor den Kopf gestoßen.
Er hat sich in Alkohol geflüchtet, Medikamente genommen, 19 Jahre von Sozialhilfe gelebt. Aber Gosse, das stimmte nicht. Dem widersprach Stübner.
Stolz war er, menschenscheu, konnte nicht auf Leute zugehen. Um Hilfe bitten, das war nicht Jörg Stübner. Hilfe annehmen konnte er nur manchmal. Dazu brauchte es Geduld, viel Vertrauen, Einfühlungsvermögen.
Uwe Karte begab sich auf die Suche nach dem Warum und sprach mit Heiko Scholz und Ulf Kirsten
Wenn er merkte, dem Gegenüber ist es ernst, dann konnte er sich darauf einlassen. Viele schafften es nicht.
Das Buch ist auf der Suche nach dem Warum. Warum fand einer der besten Kicker der DDR, dem alle zu Füßen lagen, den Weg nach der politischen Wende nicht mehr?
Autor Uwe Karte trug die Idee des Buches seit dem 50. Geburtstag Stübners mit sich herum, sprach mit langen Wegbegleitern wie Heiko Scholz und Ulf Kirsten.
Sprach mit Stübners erstem Trainer an der Dresdner KJS, Harald Fischer, mit Klassenlehrer Klaus Seime und vielen anderen.
Karte überzeugte den Protagonisten selbst von seinem Projekt. Nach anfänglichem Zögern stimmte dieser zu, war später Feuer und Flamme.
Stübner öffnete sich immer mehr, gab detailliert Einblicke in sein zweigeteiltes Leben.
Das eine geregelte, erfolgreiche ging bis zum 9. November 1989, das andere ungeregelte von da bis zu seinem Tod.
Jörg Stübner bekam keine Angebote, weshalb ihm Halt und ein geregeltes Leben fehlten
Karte findet den Grund und zwar mit Uli Schulze, einst Keeper des 1. FC Magdeburg, später u.a. Trainer in Aue. Schulze holte Stübner 1993 nach Neubrandenburg. 5. Liga! Eines der vielen kurzen Abenteuer in Stübners Laufbahn.
Er offenbarte sich Schulze in einer Kneipe, beim Bier. Viele hatten den Sprung geschafft. Die Klassenkameraden Scholz und Kirsten waren erfolgreich in Leverkusen, Matthias Sammer damals in Stuttgart, Thomas Doll beim HSV.
Stübner aber blieb hängen, bekam keine Angebote. Das zog ihn runter, hinzu kamen viele Verletzungen. Ihm fehlte der Halt, das geregelte Leben.
Auf sich allein gestellt zu sein, machte ihn kaputt - und so sagte er irgendwann zu Uwe Karte: "In der DDR hätte ich über 100 Länderspiele, eine Frau und viele Kinder."
Das Werk erzählt das Leben Jörg Stübners vom Anfang bis zum Ende. Es hat seine absoluten Stärken, wenn Stübner selbst spricht.
Verletzlich, ehrlich, problematisch - und am Ende tief traurig. Die Premiere seines Buches erlebte er nicht mehr. Somit wurde es (s)ein Vermächtnis. Es scheint so, als hätte alles so kommen sollen.