Früher 3. Liga, heute Champions League mit RB Leipzig: Bekommt starker Blaswich späte Chance in Nationalelf?
Leipzig/Belgrad (Serbien) - RB Leipzigs Coach Marco Rose (47) brachte es mit seiner ihm eigenen Nonchalance auf den Punkt: "Nebenbei fängt er auch noch ordentlich Bälle." Der als Lob einzuordnende Satz galt seinem Torhüter Janis Blaswich (32) und bildete in der völlig verregneten Belgrader Nacht den Abschluss eines durchweg positiven Zeugnisses.
Eine gute Stunde zuvor war RB durch ein letztlich hart erkämpftes 2:1 bei Roter Stern erstmals vorzeitig ins Achtelfinale der Champions League eingezogen - vor allem dank der Paraden des aus Willich am Niederrhein stammenden Blaswich.
Als Belgrad mit aller Macht auf das Leipziger Tor drückte, war der 32-Jährige mit seinen Reflexen zur Stelle. Eine Viertelstunde vor Schluss rettete er doppelt gegen völlig frei vor ihm auftauchende Stürmer, in der Nachspielzeit folgte die finale Rettungstat.
"Janis strahlt eine Ruhe und Klarheit aus, erlaubt sich keinen Bock in irgendeiner Form", sagte Rose. "Er hält, was er halten muss, und manchmal auch ein, zwei Bälle, die er halten kann. Es hilft einem natürlich, so einen Rückhalt zu haben."
Blaswich hat einen fast schon märchenhaften Aufstieg hinter sich. Mit der Erfahrung aus fast 300 Einsätzen in der Regionalliga, 3. Liga und der niederländischen Eredivisie kam er im Sommer des vergangenen Jahres nach Leipzig. Aussicht auf Einsätze gab es für den bei Borussia Mönchengladbach ausgebildeten Blaswich nicht.
Der Keeper wurde als loyale und pflegeleichte Nummer zwei hinter Ungarns Nationaltorwart Peter Gulacsi (33) geholt. Als sich der Kapitän vor fast exakt 13 Monaten das Kreuzband riss, stand Blaswich plötzlich im Rampenlicht.
Blaswich mit großartiger Entwicklung in Leipzig
Die reflexartig in der Leipziger Chefetage herrschende Unruhe erstickte er umgehend mit überdurchschnittlichen Leistungen. Seine Reflexe waren sofort auf Königsklassen-Niveau, mit dem Fuß ist er immer präzise und auch unter Druck ruhig.
Mittlerweile hat Blaswich auch in Sachen Strafraumbeherrschung einen Schritt nach vorn gemacht, traut sich öfter aus dem Tor heraus.
In Leipzig und womöglich auch andernorts fragen sie sich bereits, warum Blaswich nicht mal für die Nationalmannschaft nominiert wird - als Nummer drei hinter Marc-André ter Stegen (31) und Manuel Neuer (37).
Blaswich selbst moderiert solche Gedankenspiele ab, ohne auf sie einzugehen. Ein Lautsprecher ist der Rheinländer nicht, zumindest nach außen.
"Er ist als Typ total unaufgeregt, trotzdem will er immer gewinnen und ist sehr leistungsorientiert. Er passt gut in die Kabine, hat dort ein gutes Standing", sagte Rose. Dort werde sein Torhüter bisweilen auch etwas lauter.
Blaswich bei RB Nummer 1 - was wird aus Gulacsi?
Anfang September wurden Blaswichs Leistungen mit einem neuen Vertrag bis 2026 belohnt. "Der Klub hat in den nächsten Jahren große Pläne und ich bin extrem stolz darauf, langfristig ein wichtiger Teil davon zu sein", sagte Blaswich.
Daraus liest sich: In die zweite Reihe rückt er so schnell nicht mehr.
Blaswichs Bleiben war für den eigentlich dem Jugendwahn verfallenen Pokalsieger ein ungewöhnlicher Schritt. In mehrfacher Hinsicht.
Denn der mittlerweile genesene Gulacsi ist bis 2025 gebunden und im kommenden Sommer kommt das belgische Ausnahmetalent Maarten Vandevoordt. Der 21-Jährige kommt mit der Erwartungshaltung, mittelfristig die Nummer eins zu werden.
Leipzig wird im Sommer das haben, was man gern als Luxusproblem bezeichnet. Die Lösung scheint aus heutiger Sicht die zu sein, dass Gulacsi den Klub wohl verlassen wird. Vielleicht schon im Winter, denn Anlass für einen Wechsel im Tor hat Rose nicht. Und Vandevoordt könnte noch eine Saison länger bei seinem Jugendklub Genk bleiben.
Es wäre ein Zeichen der Anerkennung, das sich Blaswich verdient hat.
Titelfoto: Bildmontage: PICTURE POINT / S. Sonntag, PICTURE POINT / Gabor Krieg