HSV-Fans nach elf Minuten voller Qual außer sich: "Sind wir hier jetzt in Katar, oder was?"
Hamburg – Dramatischer kann ein Saisonabschluss kaum aussehen! Wegen eines Last-Minute-Siegs des 1. FC Heidenheim müssen HSV-Fans den Traum vom direkten Aufstieg in die 1. Bundesliga erstmal weiter träumen. Dabei hätte die Stimmung im sonnigen Hamburg in der "Sportpub Tankstelle" am Hans-Albers-Platz eigentlich nicht besser sein können. 90 Minuten voller Hoffnung und Optimismus für den Aufstieg sind in nur elf Minuten zerplatzt. TAG24 hat mit Anhängern des HSV gesprochen.
Eine gute Stunde vor Anpfiff aller Zweitliga Partien hat sich TAG24 die Lage bei einer der bekanntesten HSV-Fan-Kneipen in Hamburg angeschaut: der "Sportpub Tankstelle" am Hans-Albers-Platz. Gegen 14.30 Uhr hatten sich viele schon einen Platz gesichert, um den perfekten Blick auf die Bildschirme zu haben.
Auch deshalb sammelte sich vor der Bar eine große Traube von Anhängern des Hamburger Sportvereins. Während der ein oder andere mit dem Kater vom gestrigen Samstagabend zu kämpfen hatte, gönnten sich die meisten ein Bier nach dem nächsten. Die Stimmung unter den Schwarz-Weiß-Blauen war super.
Auch auf Nachfrage von TAG24 zeigten sich die meisten Fans voller Optimismus:
"Ich freue mich, auf einen coolen Fußball-Nachmittag und natürlich, dass wir endlich mal wieder aufsteigen. Das wäre natürlich der Hammer! Ich bin guter Dinge. So wie alle Leute hier heute. Die Sonne scheint – perfekte Voraussetzung! Das kann nur was werden heute!", freute sich HSV-Fan Franzi (25), die ihr Outfit komplett in den Farben ihrer Lieblingsmannschaft gehalten hatte: HSV-Trikot, blau-weiße Tennis-Socken, kurze Blue-Jeans.
Einen indirekten Appell an die Rothosen gab die 25-jährige Hamburgerin auch direkt mit: "Wir Fans geben immer 100 Prozent, wenn die Mannschaft das heute auch tut, wäre das gut!".
"Es kommt einfach darauf an, dass Heidenheim heute nicht gewinnt!"
Nervosität vor diesem wichtigen Match war bei den Fans kaum zu spüren. Der gebürtige Hamburger Justin (27) der sich gemeinsam mit seinen Freunden einen Erste-Reihe-Platz in der Sportkneipe gesichert hatte, gab gegenüber TAG24 zu, dass er nicht wirklich nervös sei: "Ich bin auf jeden Fall sehr gut gelaunt! Ich hoffe natürlich auf den direkten Aufstieg. Ich denke auch, Heidenheim wird heute patzen und dann machen wir das Ding klar!".
Justin wünschte sich von seiner Mannschaft vor allem eines: Einsatz, selbst gegen den bereits abgestiegenen Zweitligisten SV Sandhausen. Sein Tipp: 2:0 für den HSV.
Sein Kumpel Marlon (22), der eigentlich aus Göttingen kommt, aber schon immer Fan des Hamburger Sportvereins ist, hoffte auch auf den direkten Aufstieg: "Die Relegation ist ja eh sicher, da werde ich dann nervös!". Über seine Voraussicht, nämlich dass der HSV heute 4:0 gewinnen wird, freuten sich auch seine Fan-Kollegen drumherum.
Ganz leichte Aufregung verspürte André (36) hingegen bereits am 34. Spieltag: "Aber man kennt das ja, als HSV-Fan", so der Hamburger. Seit Mittwoch glaube er an den direkten Aufstieg: "Das schaffen wir heute!". Vorher sei für ihn die Relegation und der Aufstieg von Heidenheim sicher gewesen. Mit den Gedanken sei der 36-Jährige deshalb auch nicht zu 100 Prozent bei seinem Verein. Zu 50 Prozent gingen diese nach Regensburg: "Es kommt einfach darauf an, dass Heidenheim heute nicht gewinnt!".
Das war auf jeden Fall bei allen rauszuhören: Die Niederlage Heidenheims war wichtiger, als der Sieg des eigenen Klubs.
Extra aus Orlando eingeflogen, um den Aufstieg des HSV in Hamburg zu feiern
Das war wohl nichts für Shawn (49) aus Orlando. Der gebürtige Amerikaner, der durch seine Großeltern, die aus Hamburg stammen, schon als Kind zum HSV gekommen sei, hatte den weiten Weg über den großen Teich auf sich genommen, nur um "seinen" Verein aus nächster Nähe zu unterstützen.
"Ich bin extra aus Florida hierhergeflogen, damit ich den Aufstieg heute hier feiern kann! Ich freue mich darauf, dass wir heute gewinnen und Heidenheim nur unentschieden spielt. Wir schaffen das, ich bin der Glücksbringer!"
Gemeinsam mit einem Freund aus Hamburg hat der 49-Jährige aus Florida das am Ende sehr dramatische Spiel verfolgt. Ob sich seine Reise dennoch gelohnt hat? Wahrscheinlich schon, denn am Sonntagabend soll es für die beiden noch auf das Metallica-Konzert im Volksparkstadion gehen. So hat er wenigstens das Stadion "seines" Vereins nochmal von nah sehen können.
Im Gegensatz zu Shawn, war dem 18-jährigen Jamal aus Hamburg die Anreise nach Sandhausen, um das Spiel dort live und aus nächster Nähe zu betrachten, etwas zu weit. "Ich wäre gerne im Stadion gewesen. Aber natürlich kommt man auch schwer an Tickets ran. Sandhausen auch eine lange Fahrt, da muss man sich viel Zeit einplanen".
Seine Zeit hat er dann lieber mit seinen "Kollegen" in der "Sportpub Tankstelle" hier in Hamburg verbracht und von dort aus seinem Verein positive Energien geschickt.
90 Minuten voller Zuversicht und Hoffnung, 11 Minuten des Grauens
In der Halbzeit war von dem dramatischen Ende des letzten Spieltages noch nichts zu erahnen. Nach dem frühen Führungstreffer der Rothosen in der dritten Minute war die Stimmung der HSV-Fans in und vor der Kneipe auf dem Höhepunkt.
Unermüdlich wurden Fan-Gesänge angestimmt, auf die Tische gekloppt und "Scheiß St. Pauli" gesungen. Die Stadt-Rivalen spielten parallel zu Hause gegen den Karlsruher SC.
Thomas (50) und Bernd (57) genossen die Halbzeitpause mit Bier in der Sonne und fühlten sich "sehr gut": "Wir haben bisher überzeugend gespielt. Das Ergebnis passt – in Heidenheim", erzählt Thomas. "Heute wird richtig Party gemacht", grätscht Bernd dazwischen, "weil der HSV heute aufsteigt!".
Nachdem in der zweiten Hälfte aber dann zügig aufeinanderfolgend aus Regensburg zwei Tore für den Absteiger gemeldet wurden, waren die Hamburger nicht mehr zu stoppen. Mehr Jubelschreie als über das eigene Tor, gab es für den Rückstand von Heidenheim.
Bis zur letzten Minute der regulären Spielzeit konnte den HSV-Fans niemand die Freude und Zuversicht nehmen. Aber: zu früh gefreut! Schiedsrichter Sören Storks (34) schockte und sorgte am Ende auch für Ernüchterung: Elf Minuten Nachspielzeit. Elf Minuten für Heidenheim, um das 2:1 noch zu drehen.
Und sie drehten es. Die HSV-Fans, die nach Abpfiff dieser Zitterpartie sofort die Bar verließen und Becher und Flaschen aus Zorn auf den Boden warfen, waren außer sich: "Elf Minuten, wo gibt's sowas denn. Sind wir jetzt in Katar oder was?" oder "Ist das schlecht, man!" rief es von den Bänken.
Für St.-Pauli-Fans war der Ausgang dieses dramatischen Spieltages gefundenes Fressen: Die Kiez-Kicker, die ihre Partie gegen den KSC mit 1:1 beendeten, sangen von den Rängen des Millerntors: "Nie mehr erste Liga, HSV!"
So weit ist es aber noch nicht. Im Relegations-Match gegen den VfB Stuttgart haben die Norddeutschen noch eine reelle Chance auf den Aufstieg.
Titelfoto: Alice Nägle/TAG24