Wie tabu ist Homosexualität im Fußball heute? So denkt St.-Pauli-Coach Hürzeler
Hamburg - Thomas Hitzlsperger (41) ist der bislang einzige (ehemalige) deutsche Fußballer, der sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt hat. Doch woran liegt das und wie steht St.-Pauli-Chefcoach Fabian Hürzeler (31) zu Outing im Profifußball?
In einer Dokumentation der ARD zum Thema Homosexualität im Profifußball spricht der heutige Funktionär, Thomas Hitzlsperger, zehn Jahre nach seinem Outing über seine Erfahrung und die aktuelle Präsenz des Themas in Deutschland.
Seine Motivation für sein Outing wäre vor allem gewesen, auf den Umgang mit "Schwulsein" im Profifußball sowie der Gesellschaft aufmerksam zu machen. "Wenn ich heute darauf schaue, würde ich sagen: Ich konnte meinen Beitrag leisten, es ist zwar noch nicht vorbei, aber vieles ist auch positiv gelaufen", so der ehemalige Mittelfeldspieler.
Aber auch der Deutsche Meister von 2006/07 habe vor seinem Outing, in der Zeit als aktiver Spieler, häufig zu hören bekommen: "Lass es lieber sein, der Druck ist zu groß!". Außer ihm hat sich in Deutschland bislang sonst kein aktiver Kicker zu seiner Homosexualität bekannt. Im Gegensatz zu anderen Ländern.
In den letzten Jahren hatte sich neben dem Australier Josh Cavallo (24) und dem englischen Stürmer Jake Daniels (19) vor knapp einem Jahr schließlich auch der tschechische Kicker Jakub Jankto (28) geoutet. Parallel zu viel Zuspruch für ihren Mut erfuhren die Fußballer aber ebenso immer wieder Anfeindungen und Beschimpfungen.
Im Millerntor haben genau solche Beleidigungen keinen Platz. Das Stadion des Hamburger (noch) Zweitligisten, FC. St. Pauli, der in der Branche als bunter Verein mit Offenheit für Diversität und Toleranz gilt, soll ein Wohlfühlort für alle sein.
Pauli-Coach Hürzeler steht jederzeit hinter seinen Spielern
Kiez-Coach Fabian Hürzeler zeigt sich als derzeit jüngster Trainer des deutschen Profifußballs ganz im Sinne seines Vereins als aufgeschlossen und tolerant.
Doch wie wäre es für ihn, wenn einer seiner Spieler der erste wäre, der sich zu seiner Homosexualität bekennen wollen würde?
"Wir bei St. Pauli stehen einfach für gewissen Werte. Es ist wichtig zu wissen, dass Fußball immer der gemeinsame Nenner bleibt", betont der 31-Jährige im Interview und ergänzt: "Wir als Verein und auch wir als Trainerteam würden das dann als Grundvoraussetzung sehen, dass wir diese Bedingungen schaffen, dass sich ein Spieler angstfrei outen könnte."
Zum Outing raten würde der ehemalige FC-Bayern-Spieler einem seiner Profis aber nicht. In seinen Augen müsse die Entscheidung zu einem "Ja" zu diesem Schritt, besonders wegen des sportlichen sowie gesellschaftlichen Drucks, von dem jeweiligen Kicker selbst kommen.
Und dennoch hofft auch der Kiez-Coach, dass der Tag kommen wird, an dem auch ein aktiver, deutscher Fußballer öffentlich zu seiner sexuellen Orientierung steht. "Ich hoffe, dass irgendwann alles viel freier ausgelebt werden kann und es nicht mehr so ein Versteckspiel ist. Ich weiß nicht, wann der Tag kommen wird, aber wenn er kommen wird, bin ich jemand, der das definitiv unterstützt."
Generell bleibe es zum aktuellen Zeitpunkt aber immer noch spekulativ, wie ein Outing bei Fans, Spielerkollegen, Trainern und generell der Öffentlichkeit ankommen würde - egal, ob bei St. Pauli oder anderen deutschen Liga-Vereinen.
Hitzlsperger jedenfalls wünsche sich zukünftig noch mehr Mut und Offenheit für ein solch gesellschaftlich wichtiges Thema. Und doch blickt er auch in Zeiten des immer stärker werdenden Rechtsrucks positiv in die Zukunft.
FC St. Pauli unterstützt "buntes" Projekt für Outing von Fußballern:
Marcus Urban initiiert Plattform für homosexuelle Profisportler
Gespannt blickt man in diesem Jahr besonders auf den 17. Mai. Anlässlich des internationalen Tags gegen Homophobie soll erstmalig eine Internetplattform freigeschaltet werden, auf der schwule Profifußballer und andere Sportler, im Zweifel auch anonymisiert, in Texten oder Videos ihre Geschichte erzählen können.
Initiator des Projektes ist Ex-Jugendnationalspieler Marcus Urban (53), der kurz vor seinem Durchbruch zum Profifußballer die Reißleine zog, um sich nicht mehr für seine Homosexualität verstecken zu müssen.
Mit der Webseite möchte er ein Setting für andere Spieler schaffen, das ihnen im besten Fall die Angst nimmt und einen gemeinschaftlichen Fußball fördert. "Wir bauen ihnen ein Haus, aber durch die Tür müssen sie selbst gehen."
Titelfoto: Bildmontage: Marcus Brandt/dpa, Christian Charisius/dpa