1. FC Magdeburg: Vor 50 Jahren waren sie an der Spitze

Magdeburg - Vor 50 Jahren gewann der 1. FC Magdeburg als einzige DDR-Clubmannschaft den Europapokal der Pokalsieger.

Wolfgang Seguin (78) zeigt eine Aufnahme von seinem Torjubel in seinem Haus in Stendal (Sachsen-Anhalt).
Wolfgang Seguin (78) zeigt eine Aufnahme von seinem Torjubel in seinem Haus in Stendal (Sachsen-Anhalt).  © Jens Wolf/dpa

Es war eine magische Nacht für den DDR-Fußball und den 1. FC Magdeburg. Ein Eigentor und ein Treffer von Wolfgang Seguin (78) besiegelten an jenem 8. Mai 1974 im legendären "De Kuip" von Rotterdam den ersten und einzigen Sieg einer DDR-Clubmannschaft in einem europäischen Cup-Wettbewerb.

Nicht die berühmten Spieler des AC Mailand durften den Europapokal der Pokalsieger in die Höhe strecken, sondern die bis dato international noch namenlosen Manfred Zapf (77), Jürgen Pommerenke (71) oder Jürgen Sparwasser (75).

Als Siegprämie kassierten sie fünf Millionen Schweizer Franken.

Heinz Krügel, der Vater des Erfolges

Heinz Krügel († 87): Der damalige Fußball-Erfolgstrainer vom 1. FC Magdeburg. (Archivbild)
Heinz Krügel († 87): Der damalige Fußball-Erfolgstrainer vom 1. FC Magdeburg. (Archivbild)  © Jens Wolf/dpa-Zentralbild/dpa

Egal, mit wem man aus der damaligen FCM-Truppe heute spricht, alle reden voller Ehrfurcht und Respekt von Trainer Heinz Krügel († 87).

"Heinz Krügel konnte eine Mannschaft mit seinen Reden mitreißen, motivieren. Bei dem habe ich selbst geglaubt, Weltklasse zu sein, so überzeugend ist er aufgetreten. Er hat jedem vor dem Spiel gesagt, was seine Stärken sind und daran erinnert, diese auszuspielen", berichtet Wolfgang Seguin von der Spielvorbereitung und nennt ein Beispiel:

"Zu Helmut Gaube (78), der vorher selten gespielt hatte, sagte er vor dem Finale: 'Sie, Helmut, Sie spielen gegen Gianni Rivera (80). Stellen Sie sich mal vor, Sie sind Diplomsportlehrer und der hat nicht mal einen richtigen Beruf.' Und hinterher hat er ihn gelobt mit den Worten: 'Jetzt sind Sie Rivera.' Das war Krügel", erzählt Seguin.

Nach heftiger Heimniederlage: 1. FC Magdeburg testet gegen Hannover
1. FC Magdeburg Nach heftiger Heimniederlage: 1. FC Magdeburg testet gegen Hannover

Heinz Krügel wurde 1921 in Zwickau geboren und verstarb 2008 in Magdeburg. Er war einer der erfolgreichsten Fußballtrainer in der DDR.

Teamgeist an oberster Stelle

Ein paar der WM-Spieler der DDR-Nationalmannschaft von 1974 trafen sich zum 50-jährigen Jubiläum an der Ostsee.
Ein paar der WM-Spieler der DDR-Nationalmannschaft von 1974 trafen sich zum 50-jährigen Jubiläum an der Ostsee.  © Danny Gohlke/dpa

"Wir waren eine verschworene Truppe", berichtet mit Axel Tyll (70) ein weiterer Mittelfeldmann von damals über die Mannschaft. Mit einem Durchschnittsalter von rund 23 Jahren war es ein überaus junges Team ohne Stars.

Mit Kapitän Zapf gab es einen kompromisslosen Libero, mit Pommerenke den Denker und Lenker im Mittelfeld und mit Sparwasser und Martin Hoffmann (69) torgefährliche Angreifer. Um sie herum gesellten sich gute Fußballer, die Krügels Spielstil - etwas angelehnt an den englischen dieser Zeit - ideal umsetzen konnten.

Hinzu kam, dass sich die Mannschaft fast ausnahmslos aus dem damaligen Bezirk Magdeburg rekrutierte und damit auch eine lokale Identifikation mit dem Club vorhanden war. Der Pokalsieg 1973 sowie der Gewinn der DDR-Meisterschaft 1974 sorgten schließlich dafür, dass man mit einem gewissen Selbstbewusstsein in Rotterdam auflaufen konnte.

Finals, das wussten die Spieler alle, können wir.

Chaotische Siegesfeier und ein später Cognac mit Krügel

Die gesamte Mannschaft des DDR-Fußballpokalsiegers 1. FC Magdeburg, auf einem undatierten Archivfoto.
Die gesamte Mannschaft des DDR-Fußballpokalsiegers 1. FC Magdeburg, auf einem undatierten Archivfoto.  © Zentralbild/dpa-Zentralbild/dpa

Die Bilder, die in der Nacht des Erfolges in die Welt gingen, zeigten glückselige FCM-Spieler in weißen Bademänteln auf der Ehrenrunde. "Die haben wir bekommen, weil es so kalt und regnerisch war", berichtet Seguin.

Aber: Nach der Feier mussten sie wieder abgegeben werden. "Ich habe versucht, meinen in die Tasche zu packen, aber es hat nicht geklappt. Ich weiß aber, dass am Ende zwei fehlten. Wer die mitgenommen hat, weiß ich bis heute nicht", sagt Seguin.

Gefeiert wurde im Teamhotel an der Nordsee. Der Hotelchef sei ein Fußballverrückter gewesen, der die Sause wohl auch gesponsert habe. "Wir waren ja nur etwa 30 Leute, eingedeckt war aber für 80", erinnert sich der heute 78-Jährige.

Die Siegprämie konnte zum Bezahlen der Feier nicht herangezogen werden, weil der Deutsche Fußball-Verband der DDR in Person seines Präsidenten Günther Schneider das Geld sofort einkassierte und zur Finanzierung des Trainingslagers der DDR-Auswahl vor der WM in Schweden nutzte.

Aus diesem Grund konnten auch die Magdeburger WM-Kandidaten Sparwasser, Pommerenke, Hoffmann, Seguin und Tyll nicht so ewig mit feiern, denn bereits am 9. Mai mussten sie früh gen Schweden aufbrechen und verpassten somit auch den Empfang in der Heimat.

Als Prämie gab es für jeden Spieler 5000 DDR-Mark und ein Auto - allerdings musste das jeder selbst zahlen. Nur 13 Jahre warten musste man nicht darauf.

Zudem ist Seguin eine nette Begebenheit im Gedächtnis geblieben. "Ich bin in den frühen Morgenstunden noch mal hinten runter. Da standen Krügel und der damalige Clubvorsitzende an der Bar und tranken Cognac. Und Krügel fragte: "Na Wolfgang, auch mal einen probieren?". So hatte ich Krügel noch nie erlebt", erzählt Seguin.

Jährliche Treffen um den 8. Mai

Während man beim Club mit den Helden von einst wohl nicht so viel am Hut hat, die 50 Jahre aber dennoch mit einem ganzen Festjahr begeht, sind die Spieler von damals nach wie vor eng befreundet. Jedes Jahr um den 8. Mai herum treffen sie sich mit ihren Frauen und begehen den einzigartigen Triumph auf ihre Weise. Und natürlich besuchen sie auch die Heimspiele der Zweitliga-Mannschaft.

Denen wünschen sie den Klassenverbleib und eine Kameradschaft, wie sie 1974 zum größten Erfolg des DDR-Clubfußballs geführt hat.

Titelfoto: Bildmontage: Zentralbild/dpa-Zentralbild/dpa, Jens Wolf/dpa

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