Vereine im Kampf gegen Fan-Randale! Aue-Vorstand: "Drohungen nicht hilfreich!"

Aue - Fangruppierungen verschiedener Vereine sorgen derzeit Woche für Woche für negative Schlagzeilen in Deutschland. Ist diese Masse an Verfehlungen ein neues Phänomen? Ist das ein Wettkampf unter Anhängern und wie können sich Vereine dagegenstemmen? TAG24 hat mit Aues Vorstand Jörg Püschmann gesprochen. Der 34-Jährige ist selbst in der aktiven FCE-Fanszene unterwegs, bekannt als "Sniper".

Jörg Püschmann (r.) gehört seit November 2022 wie Robert Scholz (l.) und Thomas Schlesinger zum Auer Vorstand. Er ist seither das Sprachrohr zur Fanszene, der er selbst angehört.
Jörg Püschmann (r.) gehört seit November 2022 wie Robert Scholz (l.) und Thomas Schlesinger zum Auer Vorstand. Er ist seither das Sprachrohr zur Fanszene, der er selbst angehört.  © picture point/Sven Sonntag

TAG24: Die Attacke von Essenern und Dortmund-Fans auf Schalker, die Ausschreitungen von Dynamo-Fans in Bayreuth, von Auern gegen Zwickau, von Rostockern auf St. Pauli, zerstörte Gäste-Toiletten, Hetz-Banner jetzt in Dresden. Oder von Unionern und Kölnern gegen RB: liefern sich Fans derzeit einen Wettkampf, wer am schlimmsten ist?

Püschmann: "Nein! Das alles gab es schon vor 30 Jahren, nur damals gab es weder Internet noch soziale Medien noch Smartphones. Die Berichterstattung ist eine andere geworden. Früher wurde nicht alles dokumentiert von allen, auch nicht von den Medien. Jetzt liest man alles und überall. Was nicht heißt, dass ich das alles gut finde, was da passiert.

Zerstörte Toiletten wie von unseren Anhängern in Dresden sind für mich ein absolutes No-Go. Ich weiß nicht, was damit bezweckt werden soll. Das ist Käse. Aber: Mehr Gelassenheit und weniger Hyperventilieren würde allen Seiten gut zu Gesicht stehen."

Aufgestauter Frust aus Corona-Zeiten?

Der DFB hat einen einheitlichen Strafenkatalog. Er unterscheidet nicht, ob Pyro zur Choreo gehört - wie hier am Samstag im Dresdner K-Block - oder ob Fackeln auf den Rasen geschmissen werden. Wenn es brennt, muss der Verein zahlen.
Der DFB hat einen einheitlichen Strafenkatalog. Er unterscheidet nicht, ob Pyro zur Choreo gehört - wie hier am Samstag im Dresdner K-Block - oder ob Fackeln auf den Rasen geschmissen werden. Wenn es brennt, muss der Verein zahlen.  © Lutz Hentschel

TAG24: Fast zwei Jahre durften Fans wegen Corona nicht ins Stadion. Sind dann all diese Verfehlungen der aufgestaute Frust davon?

Püschmann: "Vielleicht. Wobei ich es so sehe: Fußball ist auch politisch und hat nicht das Saubermann-Image, wie es der DFB gern hätte. Es ist oft der Unmut der in einigen Dingen verfehlten Politik, gerade in Coronazeiten. Erschwerend kommt hinzu, dass vieles immer nur Schwarz und Weiß betrachtet wird: kaum Differenzierung, einseitige Meinungsmache. Das bricht dann beim Fußball raus, er ist und bleibt ein Spiegelbild der Gesellschaft. Oft ist es auch gar nicht die Politik oder der Gegner, sondern der Unmut auf den eigenen Verein."

TAG24: Vereinen bleibt oft nicht mehr, als sich von den Vorfällen zu distanzieren. Wie können sich Clubs überhaupt richtig dagegen wehren?

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FC Erzgebirge Aue Veilchen tapfer in Leipzig? Nkansah: "Eine Pflichtaufgabe für uns!"

Püschmann: "Die einzelnen Täter zu belegen ist schwer, weil sich vieles in der anonymen Masse abspielt. Die Vereine versuchen es. Das haben wir auch nach dem Hinspiel gegen Zwickau getan. Doch wir sind ein Fußballverein mit beschränkten Möglichkeiten und keine Strafverfolgungsbehörde. In den Griff zu bekommen ist das meiner Meinung nach nur über die intensive Zusammenarbeit Fanszenen, Vereine und Verband. Da kommt es auch auf die Fanszenen an. Die müssen ganz klar rote Linie benennen. Beispiel: Pyros bei einer Choreografie fürs Gesamtbild okay - damit schmücken sich dann Vereine übrigens auch gern.

Pyro auf den Rasen zu werfen und Leute zu gefährden, ist nicht okay. Bierbecher, Feuerzeuge, andere Gegenstände werfen oder gar auf den Rasen zu stürmen, auch das wird nicht toleriert und wird Konsequenzen haben. Wir vom Verein und der Fanszene werden diese Ansagen nochmals machen. Nur, es muss sich auch daran gehalten werden."

Konzept für Derby in Zwickau erstellt

Hansa-Fans fackelten vor knapp zwei Wochen auf St. Pauli regelrecht die Gästetribüne ab. Zudem flogen unzählige Raketen aufs Spielfeld.
Hansa-Fans fackelten vor knapp zwei Wochen auf St. Pauli regelrecht die Gästetribüne ab. Zudem flogen unzählige Raketen aufs Spielfeld.  © imago/osnapix

TAG24: Viele Vereine akzeptieren die Geldstrafen und stehen dem Problem eher ohnmächtig gegenüber. Ist das auch die Angst, vor möglicherweise fehlender Stimmung im Stadion?

Püschmann: "Das mag sicher bei einigen so sein, ist aber nicht der Hauptgrund. Wenn Strafen durch den DFB ausgebrochen werden, schauen sich die Clubs schon ganz genau den Grund an und differenzieren auch. Ist es eine Strafe, die durch Pyro bei einer Choreografie entstanden ist oder weil wieder irgendwelches Zeug bei einer 2:0 Führung auf den Rasen geflogen ist? Pyro bei einer Choreografie akzeptieren Vereine bis zu einem gewissen Punkt und zahlen. Anderes akzeptieren auch wir nicht. Es bliebe nur der Einspruch, der fast immer sinnlos ist. Also wird es bezahlt. Übrigens: Drohungen von beiden Seiten sind nach Vorfällen nicht hilfreich. Das ist Kinderkram. Es braucht den Austausch zwischen Fanszene und Verein."

TAG24: Am Dienstag steht das nächste Derby für Aue an. Nach den Vorfällen im Hinspiel: Welche Vorsichtsmaßnahmen ergreift der FCE vor dem Spiel in Zwickau?

Püschmann: "Wir haben Maßnahmen ergriffen, haben in den Sicherheitskonferenzen alles erörtert und ein Konzept erstellt. Da möchte ich aber nicht ins Detail gehen, um das nicht zu gefährden."

Die größte Unart der Gästefans sind immer wieder die zerstörten Gäste-Toiletten - wie hier am Samstag in Dresden,. Diesmal tickten einige Auer aus.
Die größte Unart der Gästefans sind immer wieder die zerstörten Gäste-Toiletten - wie hier am Samstag in Dresden,. Diesmal tickten einige Auer aus.  © privat

Titelfoto: Picture Point/Sven Sonntag, IMAGO/osnapix

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