Größte Krise seit 25 Jahren in Aue! Die Folgen der Wird-schon-werden-Mentalität
Aue - Die Fans machen mobil. 43 FCE-Fanclubs unterzeichneten einen offenen Brief an den FC Erzgebirge Aue. Man sehe den 11. September - und damit das 0:1 gegen Zwickau - als absoluten Tiefpunkt der letzten 25 Jahre. Die Anhängerschaft habe "keine Zuversicht mehr, dass die Verantwortlichen in der Lage sind, den Niedergang aufzuhalten". Sie fordert den Rücktritt des Vorstandes.
"Die Gründe dafür liegen neben der jetzigen sportlichen Kapitulation in Teilen schon länger zurück, konnten aber noch durch sportliche Erfolge in der 2. Liga überdeckt werden. Während der jüngeren fußballerischen Talfahrt zeigen sich nun aber immer mehr die Handlungsdefizite der Gremien zum Wohle des Vereins", erläutern die Fanclubs ihre Forderung.
Handlungsdefizite ist dabei nett formuliert. Beratungsresistent, fehlende Weitsicht, falsche Wahrnehmungen oder auch Überheblichkeit hätte dort stehen können. Denn aus Fehlern wurde nicht gelernt, die Lehren aus guten Erfahrungen völlig ignoriert.
Sie wollten es wie 2015 machen: Abstieg, neuer Trainer, neue Mannschaft, Aufstieg. Tage der Aufbruchs-Euphorie wollte man sich im Juni in Aue nicht kaputtreden und schon gar nicht -schreiben lassen. Zehn Wochen später müssen sich die Verantwortlichen eingestehen: 2022 ist nicht 2015! Warum nicht?
Damals bauten Sportdirektor Steffen Ziffert (58) und Trainer Pavel Dotchev (56) - also zwei gestandene sportliche Entscheidungsträger - eine hungrige Mannschaft auf. Für Spieler wie Steve Breitkreuz (30), Louis Samson (27), Calogero Rizzuto (30), Simon Skarlartidis (31), Simon Handle (29) oder Max Wegner (33) war die 3. Liga neu, sie wollten sich beweisen, waren willig. Sie hatten mit Martin Männel (34), Christian Tiffert (40) und Nicky Adler (37) drei absolute Leader an ihrer Seite.
Keine Struktur, kein Plan, keine Professionalität in Aue
Dieses Team war prägend für die kommende Jahre. Aber: Im Erfolg macht man die größten Fehler. Ziffert musste schon 2016 gehen, die Trainer wechselten im Unterhosen-Modus.
Eine Wird-schon-werden-Mentalität machte sich über die Jahre breit. Aue lebte von der Hand in den Mund. Geschick und Glück hielt den FCE sechs Jahre durchgehend in Liga zwei. Die Erfolge verdeckten die Probleme.
Jetzt wurden sie sichtbar: keine Struktur, kein Plan, keine Professionalität. Keiner, der korrigierend eingreifen kann, weil es diese Person schlichtweg nicht gibt. Nun hatte Aue den großen Vorteil, seit Mitte April zu wissen, dass es in die 3. Liga geht. Mit dem Vorsprung konnten die Veilchen nichts anfangen, weil die Strukturen blieben, wie sie waren, ebenso die Entscheidungsträger. Aue verzichtete darauf, einen Sportdirektor zu holen.
Der Verein setzte mit Timo Rost (44) wieder auf einen Trainer-Neuling (was die 3. Liga betrifft). Geholt wurden zig Spieler, die über eine Menge Erfahrung in dieser Spielklasse verfügten, in ihren damaligen Teams herausstachen. Im Gegensatz zur 2015er-Generation wirken diese aber satt.
Titelfoto: Picture Point/Gabor Krieg