Neuer über Tuchel-Aus beim FC Bayern: "Wirft ein schlechtes Bild auf uns alle"
München - Der FC Bayern kann doch noch ein Fußballspiel gewinnen! Im Zentrum stand am gestrigen Samstagabend trotz des Sieges gegen RB Leipzig in der Bundesliga weiter die Trennung von Trainer Thomas Tuchel (50) zum Saisonende.
"Die bessere Mannschaft hat heute gewonnen. Es hört sich zwar wieder ein bisschen nach Bayern-Dusel an, wenn man das Spiel in der Nachspielzeit entscheidet, aber heute war es einfach verdient", schilderte Kapitän Manuel Neuer (37) nach Abpfiff gegenüber "Sky". Vollends glücklich wirkte er nicht.
Grund dafür sind die Leistungen der vergangenen Monate und das damit einhergehende Aus Tuchels.
"Es wirft ein schlechtes Bild auf uns alle - auf die Mannschaft, die Spieler. Jeder Spieler sollte ein schlechtes Gewissen haben und sich an die eigene Nase fassen", erklärte der Keeper, der mit seiner Glanztat gegen Benjamin Sesko (20) großen Anteil am engen Heimerfolg des Rekordmeisters hatte.
Man habe es als Mannschaft nicht geschafft, "das Ganze mit einem Top-Trainer weiterzuführen". Es gehe jetzt darum, "den Weg bis zum Ende professionell weitergehen".
Dieser endet für Tuchel spätestens am 1. Juni, sollten es die Münchner in das Endspiel der Champions League schaffen. Die letzte Partie der laufenden Bundesligaspielzeit wird zuvor am 18. Mai auswärts bei der TSG 1899 Hoffenheim ausgetragen.
"Es ist nicht immer so wie in der Schule, dass immer der Lehrer schuldig ist an den schlechten Zeugnisnoten", bemühte Neuer noch einen Vergleich und schob nach: "Wir haben natürlich auch Verantwortung dafür, wenn ein guter Trainer entlassen wird."
In der Tat fällt auf, dass mit Hansi Flick (59), Julian Nagelsmann (36) und Tuchel binnen kürzester Zeit drei Übungsleiter an der Säbener Straße verbrannt wurden, denen eigentlich eine sehr viel längere Halbwertszeit prognostiziert worden war. Nagelsmann, der nun die Nationalmannschaft zur EM 2024 führt, sollte sogar eine neue Ära beim FC Bayern prägen.
FC Bayern nach Sieg gegen RB Leipzig leicht im Aufwind: Thomas Tuchel hält "Happy End" für möglich
Im Vordergrund steht unweigerlich die Frage, wie es dazu kommen konnte - und für die Führungsetage sicherlich auch, wie so etwas in Zukunft verhindert werden kann. Neuer hatte keine Antwort auf Lager.
"Das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein, jedes Mal dieses Trikot anzuziehen und auf den Platz zu gehen, um die Gegner reihenweise zu schlagen, das hatten wir in dieser Saison und in der jüngsten Vergangenheit nicht", räumte der Keeper offen ein. "Das müssen wir uns zurück erarbeiten."
Und das soll noch unter Tuchel gelingen, ehe der 50-Jährige im Sommer die Koffer packen, sich einen neuen Arbeitgeber suchen darf. Sehr viele zweifeln daran, Routinier Thomas Müller (34) gehört jedoch nicht dazu. Das "Tischtuch" zwischen Trainer und Mannschaft sei nicht zerschnitten, so der Ur-Bayer.
Tuchel selbst hatte vor dem Kräftemessen erklärt: "Es ist keine Zeit für Abschiedsstimmung." Im Sport sei "alles möglich, also auch ein Happy End". Ein solches scheint angesichts der Form von Bayer Leverkusen in der Bundesliga kaum realistisch, auch in der Königsklasse stehen die Bayern nach dem 0:1 im Hinspiel des Achtelfinales gegen Lazio Rom mit dem Rücken zur Wand.
Die Hoffnung der erfolgsverwöhnten Fans, welche sich an eine Saison ohne Titel gefühlt kaum noch erinnern dürften: Die Klarheit bei der schwelenden Trainerfrage und der späte Sieg gegen die Sachsen könnten als Brustlöser fungieren.
Titelfoto: Tom Weller/dpa