BVB-Kracher mit "Signalwirkung"! Gelingt Tuchel der perfekte Start als Bayern-Coach?
München - Thomas Tuchel (49) vom FC Bayern erwartet einen "emotionalen" Abend gegen den BVB - und ein Duell mit "Signalwirkung". Ein Start à la Hansi Flick (58) wäre nach seinem Geschmack. Uli Hoeneß (71) gibt er ein Versprechen.
Die Augen von Tuchel leuchteten, immer wieder huschte dem neuen Bayern-Trainer ein Lächeln über das Gesicht. Die riesige Vorfreude auf seinen Knallstart und das erwartete Gänsehaut-Duell mit seinem Ex-Verein Borussia Dortmund war bei dem 49-Jährigen zu jeder Sekunde deutlich zu spüren.
"Wenn wir im Stadion sind, wird es auf jeden Fall emotional", erklärte Tuchel vor dem vielleicht wichtigsten Spiel der Saison. "Die Besonderheit der Tabellensituation, die Besonderheit der Rivalität der beiden Mannschaften. Das wird ein heißes Match"
Das Spiel habe "auf jeden Fall Signalwirkung", so der Coach. "Wir wollen die Tabellenführung zurück."
Das spektakuläre Trainer-Beben an der Säbener Straße hat die enorme Bedeutung des deutschen Clasico noch zusätzlich erhöht. Und dass es beim in über 200 Länder übertragenen Bundesliga-Gipfel am Samstagabend (18.30 Uhr, Sky) dann auch noch gegen die Borussia geht, die Tuchel mit dem DFB-Pokal-Titel und einigen Misstönen vor sechs Jahren verlassen hatte, sorgt für die Extradosis Prickeln.
"Das ist lang genug vorbei, um für mich einen Haken daranzumachen", sagte Tuchel, der nach Dortmund auf höchstem Level bei Paris Saint-Germain und dem FC Chelsea genug Abstand gefunden hat. Die Stimmung sei "eher versöhnlich".
FC Bayern München: Thomas Tuchel muss vor Duell mit Borussia Dortmund improvisieren
Nur zu gerne würde er dennoch am Topspiel-Galaabend so starten wie Sieben-Titel-Trainer Flick bei seinem ersten Bundesliga-Auftritt als Münchner Chefcoach: mit einem Sieg (4:0) gegen den BVB!
"Work, eat, sleep, repeat", sei sein Motto für die ersten turbulenten Arbeitstage an der Säbener Straße gewesen, berichtete Tuchel in der fast 40-minütigen und damit doch ungewöhnlich langen Pressekonferenz. Er spüre darüber hinaus "eine sehr positive Energie" und viel "Lust" bei den Stars auf den Neustart im 108. Bundesliga-Klassiker.
Auch die zuletzt verletzten Jamal Musiala (20) und Eric Maxim Choupo-Moting (34) sind dafür wieder Alternativen. Beide sind rechtzeitig fit geworden.
Nach dem wuchtigen Ende der Amtszeit von Julian Nagelsmann (35) musste Tuchel in der kurzen Vorbereitungszeit auf sein erstes Bundesligaspiel seit 2142 Tagen allerdings improvisieren. Er befürchtete bei einer Einheit mit dem kompletten Kader "unfaire" Aufstellungsentscheidungen.
Für den BVB macht der Trainerwechsel es aber auch komplizierter.
FC Bayern München gegen Borussia Dortmund: Thomas Tuchel berichtet von Gespräch mit Uli Hoeneß
Dadurch wisse man nun im Vorfeld "nicht genau, inwieweit Thomas Tuchel anknüpfen wird an das, was Julian Nagelsmann gespielt hat in den letzten Wochen oder ob er da komplett eine neue Idee reinbringt", sagte Dortmunds Trainer Edin Terzic (40), der zu Tuchels Dortmund-Amtszeit Co-Trainer bei West Ham United in der Premier League war.
Geduldig gab Tuchel am Freitag Auskunft auf ein breites Fragenspektrum, auch zu ihm als nicht immer einfachen Charakter oder zu seinem Alter.
"Dünnes Eis, mich auf meinen 50. anzusprechen", scherzte Tuchel, der gerne von einem Gespräch mit Hoeneß berichtete. Dieser hatte die Verpflichtung begrüßt, nachdem sie in der Vergangenheit auch seinetwegen bereits schon einmal gescheitert war.
"Ich wollte ihm sagen, dass ich mein Bestes gebe, um gut auf seinen Klub aufzupassen", so Tuchel.
Vorstandschef Oliver Kahn (53) und Sportvorstand Hasan Salihamidzic (46) werden das nach ihrem harten Schnitt auf dem Trainerposten, der national wie auch international für Aufsehen gesorgt hat, genaustens beobachten.
In wegweisenden Wochen mit dem Pokal-Viertelfinale gegen den SC Freiburg als nächster Aufgabe und dem nahenden Champions-League-Highlight gegen Manchester City stehen auch sie nach dem Nagelsmann-Aus besonders im Fokus.
Borussia Dortmund reist als Tabellenführer zum FC Bayern - und mit einer Horror-Bilanz im Gepäck
Der Blick auf die Bilanz dürfte Kahn, der beim späten Ausgleich im Hinspiel auf der Ehrentribüne getobt hatte, durchaus schon etwas beruhigen. Denn die ist aus BVB-Sicht Fußball-Horror pur: Acht zum Teil klare Niederlagen und insgesamt 6:33 Tore hagelte es zuletzt in der Allianz Arena in der Liga.
Doch anders als in diesen Duellen zwischen dem Abonnementsmeister und dem regelmäßig zum Gratulanten degradierten BVB ist die Ausgangslage in einer Saison mit mehr als nur dem Hauch von Titelspannung diesmal eine andere. Ein Sieg würde den BVB-Vorsprung auf vier Punkte wachsen lassen.
"Wir können ein Zeichen setzen an uns und an die Konkurrenz. Wir wollen auch zeigen, dass wir anders sind als in den letzten Jahren", sagte Terzic.
Er kann wieder auf Stammkeeper Gregor Kobel (25), Julian Brandt (26), Salih Özcan (25) sowie darüber hinaus auch Karim Adeyemi (21) und Youssoufa Moukoko (18) zurückgreifen. Leader Emre Can (29) kehrt nach einer Gelbsperre ins Team zurück.
Die zwei Großmächte der Bundesliga, von denen seit 2009 immer eine den Titel gewonnen hat, werteten das brisante Kräftemessen nicht als Entscheidung im diesjährigen Meisterschaftskampf. "Wir werden nicht Meister sein, falls wir gewinnen und wir werden keinesfalls die Meisterschaft abschreiben, wenn wir nicht gewinnen sollten", sagte Tuchel.
BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke vor Duell mit FC Bayern München angriffslustig
Aber überraschend wäre es keineswegs, wenn der Sieger des direkten Duells auch im Konfettiregen des 34. Spieltags mit der Schale tanzen würde. "Das Schöne ist, dass die Meisterschaft an diesem Samstag, egal wie's ausgeht, nicht entschieden sein wird", sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke (63) und witzelte mit Blick auf den Münchner Ehrenpräsident Hoeneß.
"Der Uli hat ja auch mal gesagt: 'The trend is your friend'", so der 63-Jährige. "Wir haben in den vergangenen Monaten zehn Punkte auf die Bayern aufgeholt, unsere Mannschaft kann also zum ersten Mal seit langer Zeit wieder mit viel Selbstvertrauen nach München reisen." Ob auch die Heimreise mit einer solchen erfolgt, muss sich erst noch zeigen.
Titelfoto: Sven Hoppe/dpa